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Allgäu: So viele Kirchenaustritte wie nie zuvor - welche Folgen hat das?

Kirchen verlieren Mitglieder

Im Allgäu gab es zuletzt so viele Kirchenaustritte wie nie zuvor

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    Immer mehr Menschen im Allgäu kehren der katholischen sowie der evangelischen Kirche den Rücken. Teils spielen dabei auch finanzielle Aspekte eine Rolle. Vereinzelt gibt es aber auch Gläubige, die wieder in die Kirchen eintreten.
    Immer mehr Menschen im Allgäu kehren der katholischen sowie der evangelischen Kirche den Rücken. Teils spielen dabei auch finanzielle Aspekte eine Rolle. Vereinzelt gibt es aber auch Gläubige, die wieder in die Kirchen eintreten. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Auf Wiedersehen statt Grüß Gott: Immer mehr Allgäuerinnen und Allgäuer treten aus der katholischen oder der evangelischen Kirche aus. Damit steigt speziell in den Städten die Zahl der Konfessionslosen an. Gleichzeitig wird in den Kirchen diskutiert, ob bisherige Angebote aufrechterhalten werden können, wenn die Einnahmen aus der Kirchensteuer wegbrechen. „Wenn sich die Zahl der Kirchenmitglieder weiter reduziert, muss die Kirche ihr Angebot zwangsläufig verändern“, sagt die Memminger Dekanin Claudia Schieder.

    Was die Kirchenaustritte für Folgen haben

    Das bedeute etwa: „In Gemeinde A müssen wir uns neben den Grundaufgaben beispielsweise auf den Betrieb eines Kindergartens, in Gemeinde B auf die Seelsorge im Pflegeheim konzentrieren. Auch die Frage nach Kooperationen gewinnt an Bedeutung.“ Eine konkrete Idee steuerte zuletzt der Oberallgäuer Dekan Karl-Bert Matthias bei. Der Katholik kann sich etwa vorstellen, dass es in seiner Gemeinde Oberstaufen künftig nur noch ein Kirchengebäude für die evangelische und katholische Gemeinschaft zusammen gebe. Auch der Kemptener Dekan Bernhard Hesse befürchtet Einschnitte: „Damit müssen sich die Kirchen und die Politik beschäftigen. Wir vor Ort haben darauf aber wenig Einfluss.“

    Genau wie auf die Problematik der Kirchenaustritte. Neben dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche spielte zuletzt wohl vor allem die Ersparnis der Kirchensteuer eine Rolle, mutmaßt Hesse. Ähnlich sieht es die evangelische Schieder: „Kirchenaustritten geht meistens eine sich langfristig entwickelnde Entfremdung voraus. Ein Argument ist am Schluss häufig auch der finanzielle Aspekt.“

    Wie viele Kirchenaustritte gab es in den Städten im Allgäu?

    • In Kempten kehrten im Vorjahr 1110 Menschen den beiden großen Glaubensgemeinschaften den Rücken. Damit erreichte die Zahl einen Rekordwert. Die jeweilige Konfession wurde dabei nicht erfasst. Zum Vergleich: 2018 waren es 568 Austritte. Aktuell sind noch 36,6 Prozent der Bevölkerung katholisch und 14,22 evangelisch.
    • In Kaufbeuren haben im Vorjahr 493 Personen die römisch-katholische Kirche verlassen, 209 Personen die evangelische Kirche. Addiert gibt dies einen Rekordwert, der 60 Prozent über dem Vorjahr liegt. Der Anteil der Gläubigen aus den beiden Großkirchen an der Gesamtbevölkerung in der Wertachstadt sank auf knapp 53 Prozent. Vor zehn Jahren waren es noch 68 Prozent, teilt das Standesamt Kaufbeuren mit.
    • Ähnlich ist die Situation in Memmingen: Auch dort verlieren die großen Kirchen dramatisch an Mitgliedern. 2022 gehörten noch 31,5 Prozent der 45.655 Einwohner der katholischen Kirche an und 20 Prozent der evangelischen. Ganz anders stellte sich die Lage laut der Zensusbefragung im Jahr 2011 dar: Damals waren noch 42,1 Prozent katholisch und 27 Prozent evangelisch. Für alle drei Städte gilt: In den Statistiken ihrer Standesämter tauchen lediglich Religionen mit Kirchensteuerpflicht auf. „Daher können keine Aussagen zum Anteil von Muslimen gemacht werden“, teilte eine Sprecherin der Stadt Memmingen mit.

    Allgäu: Landratsämter können keine Zahlen zu Kirchenaustritten geben

    Generell keine Angaben zur Konfessionsstatistik können die Landratsämter Oberallgäu, Ostallgäu, Unterallgäu und Lindau machen. „Statistiken führen ausschließlich die Standesämter der einzelnen Gemeinden. Auf Landkreisebene gibt es dies nicht“, heißt es von den Behörden. Auch das bayerische Landesamt für Statistik führt keine Aufschlüsselung nach Landkreisen. In vielen Gemeinden gibt es jedoch eindeutige Tendenzen: So hat sich in Ronsberg (Ostallgäu) die Zahl der Kirchenaustritte im Vorjahr mehr als verdoppelt. 35 Personen (31 katholisch, vier evangelisch) kehrten in dem 1700-Einwohner-Ort ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken. In Oberstdorf hat sich die Zahl der Austritte (219) gegenüber von vor vier Jahren versiebenfacht.

    Vereinzelt verzeichnen die beiden Groß-Kirchen aber auch Wiedereintritte: „Die Menschen sagen, dass ihnen etwas fehlte: Heimat, die Gemeinschaft in einer Gemeinde“, sagt Dekanin Schieder. Auch der katholische Dekan Hesse betont: „Es gibt auch Aufbrüche.“ So erlebe er weiterhin „viele junge, engagierte Christen“. Auch weltweit steige die Zahl der Katholiken jährlich um etwa 15 Millionen Gläubige. Anders ist die Entwicklung in Deutschland: Mehr als 359.000 Menschen verließen 2021 die katholische Kirche. Mehr als 280.000 traten aus der evangelischen Kirche aus. 2022 dürften es noch mehr gewesen sein. Das legte im Dezember eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in größeren Städte nahe.

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