Monate- oder jahrelang wurde geplant und vorbereitet, doch dann hat Corona alles zunichtegemacht: Sämtliche Großveranstaltungen fallen in diesem Sommer aus. Wir treffen uns mit Akteuren an Originalschauplätzen und möchten wissen, wie es ihnen mit dieser Situation geht und was für sie die Faszination des jeweiligen Events ausmacht. Der heutige Teil unserer Serie „Ortstermin“ beschäftigt sich mit dem Allgäu-Triathlon in Immenstadt.
Still. Er glitzert in der Abendsonne. Der Alpsee ruht an diesem Tag im August, wie auch der „Kult im Allgäu“. An diesem besonderen Sonntag im Jahr, an dem sich 2700 Sportler beim 38. Allgäu-Triathlon in Immenstadt messen sollten, ist der Schauplatz im wahrsten Sinne des Wortes ein stilles Wasser. Das Wimmelbild von Tausenden sich tummelnden Badekappen fehlt – am Steg verirrt sich nicht mehr als eine Handvoll Badegäste.
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Denn auch der älteste Triathlon Deutschlands fällt der Corona-Pandemie zum Opfer. „Es ist schade, weil es das in der Geschichte noch nie gegeben hat. Aber es hilft alles nichts, man muss es so hinnehmen“, sagt German Altenried, der uns an diesem Tag an einen der bekanntesten Orte der Allgäuer Sportgeschichte begleitet. „Ich bin sicher, dass das ganze Triathlon-Volk das einordnen kann. Diese Pandemie steht über allem.“
Der 82-Jährige weiß, wovon er spricht. Denn der Gründer des Allgäu-Triathlons hat von 1983 bis zur Übergabe an Hannes Blaschke in 30 Jahren all das miterlebt, was das Ausdauersport-Event im Oberallgäu schlicht zum „Kult“ gemacht hat. 228 Teilnehmer kamen zur ersten Auflage – zuletzt, 2019, waren es 2700 Sportler in Immenstadt. „Wir hatten immer schon Weltklasse-Sportler dabei. Das ist es, in Verbindung mit dem familiären Charakter, was den Triathlon für die Menschen besonders macht“, sagt Altenried. „Und die jungen Leute heute haben ihn mit vielen neuen Ideen professionell erweitert.“
Denn in Altenrieds Fußstapfen ist Triathlon-Pionier Hannes Blaschke getreten. Der heute 60-Jährige stürmte 1985 beim Ironman auf Hawaii als erster Deutscher und Gesamtvierter in die Top Ten. Blaschkes Unternehmen „Hannes Hawaii Tours“ übernahm die Ausrichtung von Altenried im Jahr 2013 und schmückte die Großveranstaltung mit Event-Charakter.
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Bereits 1984 und 2005 hatte am Alpsee die Europameisterschaft stattgefunden, 2010 sogar die Langdistanz-Weltmeisterschaft. Zudem kamen Stars wie Faris Al-Sultan, Sebastian Kienle und jüngst der dreifache Ironman-Weltmeister Jan Frodeno, der sich 2018 just an seinem 38. Geburtstag zum Sieger krönte: Der Allgäu-Triathlon ist in den Olymp der deutschen Ausdauersport-Veranstaltungen aufgestiegen.
Umso schmerzlicher war es für die Veranstalter, die heurige Ausgabe wegen der Corona-Pandemie bereits Ende April streichen zu müssen. „Wir waren es aus dem Tourismus-Geschäft schon gewohnt, Events abzusagen – aber wir hatten es aufgrund der langen Zeitspanne noch nicht auf der Agenda, auch den Triathlon absagen zu müssen“, erinnert sich der Geschäftsführer von „Hannes Hawaii Tours“, Christoph Fürleger: „Wir hatten aber früh den Eindruck, dass die Teilnehmer Klarheit wollten und das schätzten. Immerhin hatten wir fast 3000 Meldungen.“ Und so bündeln sie schon ab jetzt alle Energie für die 38. Ausgabe, die nächstes Jahr die Gegend rund um den Alpsee wieder in ein Triathlon-Mekka verwandeln kann.
Der 35-jährige Christoph Fürleger sorgt sich nicht um die Bedeutung des Allgäu-Triathlons, wenn der „Kult“ jetzt ein Jahr lang ruhen muss. „Wir haben jede Mail beantwortet, jeden Anruf angenommen, und das wird so bleiben“, sagt Christoph Fürleger. „Wir leben dieses Rennen mit Herzblut. Das schätzen die Leute.“
Das weiß auch der Vater des Triathlons. „Dieses Rennen ist und bleibt ein Leuchtturm“, sagt German Altenried, als sein Blick über den verlassenen Alpsee schweift. Heute, als fünffacher Vater, 15-facher Großvater und dreifacher Urgroßvater, sitzt er zwar selbst noch bis zu 4000 Kilometer jährlich auf dem Rad – seinen Rückzug vom Allgäu-Triathlon aber hält er seit dem Jahr 2013 durch. „Ich habe garantiert, dass ich nicht Kritiker aus dem Hintergrund sein werde“, sagt German Altenried. „Ich habe mich von der Bühne genommen. Aber ich bin Zuschauer. Ich werde das Rennen für immer aus der zweiten Reihe begleiten.“