Die Lage sei heuer „besonders heikel“, sagt der Allgäuer Bergwacht-Chef Daniel Heim: Unten im Tal ist es teilweise schon hochsommerlich, oben liege aber beispielsweise am Allgäuer Hauptkamm vor allem in nordseitigen Rinnen und Mulden noch reichlich Altschnee. „Das wird von vielen unterschätzt“, sagt Heim. Die Folge: Allein in den vergangenen Tagen waren Allgäuer Bergretter nach einem ersten Überblick mehr als zehn Mal im Einsatz, um Bergwanderer, die sich verstiegen hatten, von Schneefeldern zu bergen.
„Am Pfingstsamstag hatten wir zwei Notrufe von Wanderern, die nicht mehr über Altschneefelder kamen“, berichtet Raphael Müller, Bereitschaftsleiter der Bergwacht in Hinterstein (Gemeinde Bad Hindelang/Oberallgäu). So schlugen fünf Wanderer Alarm, als sie sich am Laufbacher Eck im Schnee nicht mehr weiter trauten. Sogar ein Kind hatten sie dabei. Gerettet wurden sie schließlich von einer österreichischen Hubschrauberbesatzung. Auch die Oberstdorfer Bergretter mussten wiederholt Menschen in Bergnot im Bereich des Allgäuer Hauptkamms helfen.
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Altschneefelder im Frühsommer Unfallursache Nummer eins
Vom Himmeleck riefen zwei Bergsteiger um Hilfe, die auf dem Altschnee nicht mehr weiter kamen. Wegen des Unwetters konnte der Hubschrauber zunächst nicht fliegen. Bergretter machten sich zu Fuß auf den Weg – bei Sturm, Gewitter und sintflutartigem Regen. Wenige Tage zuvor hatten die Hintersteiner Bergwachtler eine Frau und einen Mann gerettet, die sich in dichtem Nebel auf dem Koblat unterhalb des Hindelanger Klettersteigs verlaufen hatten. „Da oben liegt noch richtig viel Altschnee“ sagt Müller. Genauso wie nach seinen Worten auf Abschnitten des beliebten Verbindungswegs zwischen Nebelhorn und Laufbacher Eck in den Oberstdorfer Bergen.
Altschneefelder sind nach den Beobachtungen von Bergwacht und Alpenverein in den Hochlagen im Frühjahr und Frühsommer erfahrungsgemäß Unfallursache Nummer eins. Vor allem bei schlechtem Wetter, beispielsweise plötzlich einfallendem Nebel, könne es gefährlich werden, weil Wanderer wegen des Altschnees den Wegverlauf und die Markierungen nicht mehr erkennen.
Snowspikes als praktische Helfer
Die Schneefelder sind morgens oft noch hart gefroren. Leichtsteigeisen oder Grödeln können hilfreich sein, eventuell sogar ein Pickel. Bewährt haben sich in jüngster Zeit zudem sogenannte „Snowspikes“ (eine Art Schneeketten), die dank eines Gummizugs in Sekundenschnelle über die Schuhe gezogen werden. Sie kosten etwa 40 bis 50 Euro, sind klein und leicht. Allgemein empfohlen werden für die Hochlagen feste, knöchelhohe Bergschuhe.
„Auf Altschnee im alpinen Gelände besteht eine deutlich erhöhte Absturz- und Unfallgefahr“, warnt auch die Alpininformation Oberstdorf. Für Bergtouren oberhalb der Schneegrenze seien derzeit „eine sorgfältige Tourenplanung, Erfahrung mit Altschneeresten im alpinen Gelände und absolute Trittsicherheit auf Altschnee erforderlich“, heißt es.
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