Der Jochpass lockt. Vor allem Motorradfahrer. „Das war schon immer so und das wird auch so bleiben“, sagt Albert Landgraf aus Bad Hindelang. Er wohnt seit mehr als 40 Jahren am Fuße des Jochpasses. Als im April die Höchstgeschwindigkeit auf der Passstraße von 100 auf 60 km/h gesenkt wurde, hoffte er, „dass die Motorradfahrer dann nicht mehr so aufdrehen“. Es hat sich aber „nichts geändert“, sagt der 79-Jährige heute und zuckt mit den Schultern.
Neun Unfälle mit Motorradfahrern forderten einen Schwer- und acht Leichtverletzte, heißt es beim Polizeipräsidium in Kempten. Das entspricht etwa der Bilanz des Super-Sommers 2018. Da wurden bis Ende des Jahres elf Unfälle gemeldet, an denen Motorradfahrer beteiligt waren.
„Nein, am Lärmpegel hat sich nichts geändert“, sagt auch Jochpass-Anwohnerin Janine Heppeler. Und weil das so ist, würde sie eine radikalere Maßnahme befürworten: Den Jochpass am Wochenende für Motorradfahrer sperren. Dafür gibt es aber rechtliche Hürden. In diesem Fall wäre eine Anordnung kaum haltbar, sagt Pressesprecher Andreas Kaenders vom Landratsamt Oberallgäu. Denn für einen derart „drastischen Eingriff“ reiche das Argument „Lärmschutz“ nicht aus. Hindelangs Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel glaubt, dass die Mehrheit der Bad Hindelanger einen solchen Schritt auch nicht gutheißen würde. Sie nennt den „Pendelverkehr“ der Einheimischen zwischen Oberjoch und Bad Hindelang. Die Umleitung für Motorradfahrer müsste dann über Rettenberg laufen. Aus ihrer Sicht nicht machbar, weil zu weit. Die Reduzierung auf 60 km/h als Höchstgeschwindigkeit plus verstärkte Polizeikontrollen am Jochpass hält sie für „einen guten ersten Schritt“.
Von April an gab es eine Großkontrolle pro Monat. Zudem waren die Fachleute der polizeilichen Motorradkontrollgruppe im Einsatz. Auch beim Streifendienst seien viele Biker kontrolliert worden, sagt Hauptkommissar Bernd Stapfner. Und die Polizei habe „jede Gelegenheit genutzt, auf die verstärkten Kontrollen hinzuweisen“. Vielleicht trug das Früchte: Während 2018 ein Motorrad-Raser mit Tempo 137 geblitzt wurde, hält dieses Jahr ein Auto den Geschwindigkeitsrekord, das am Auslauf des Jochpasses mit 90 km/h unterwegs war.
Der Jochpass hat 104 Kurven. „Klar kommen da immer wieder Motorradfahrer, um da hoch und runter zu fahren“, sagt eine 65-jährige Anwohnerin. Die neuen riesigen Tafeln mit der Richtungsanzeige vor Kurven und die Schilder mit der Höchstgeschwindigkeit sowie dem geltenden Überholverbot „haben meiner Meinung nach nichts gebracht“, sagt die Frau. Es gebe „Motorradfahrer, die einfach unbelehrbar sind“. Und jedes Sommerwochenende seien Polizei und Sanka unterwegs auf dem Jochpass. Nicht immer geht es dann um einen Motorradunfall: Besonders gefährdet sind Radfahrer. Immer wieder gibt es laut Polizei auch Streifzusammenstöße von Autos.
Solche Unfälle sind auch bei Motorradfahrern ein Problem. Nicht jeder am Jochpass sei ein geübter Fahrer, aber Üben sei wichtig und eine Passstraße mit vielen Kurven nicht zu unterschätzen, sagt Polizeihauptmeister Stapfner. Leicht könnten Biker auf die andere Straßenseite geraten. Mancher beherrsche seine große, schwere Maschine nicht. Bernd Stapfner weist auf Sicherheitstrainings hin. Die müssten Motorradfahrer der Polizei jedes Jahr absolvieren und die seien für jeden anderen ebenso wichtig und richtig.
Auch Janine Heppeler hat es schon erlebt, dass ein Motorradfahrer zu schnell in die Kurve fuhr – und auf ihre Seite kam, als sie mit dem Auto unterwegs nach Oberjoch war. „Das ist lebensgefährlich“, sagt sie und ist froh, dass letztendlich niemandem etwas passierte. Die Polizei will weiterhin verstärkt kontrollieren. Janine Heppeler begrüßt das.