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Arbeiten im Stall: Warum Landwirte immer wieder von Rindern verletzt werden

Gefährliche Stallarbeit

Warum es auch im Allgäu immer wieder zu Rinder-Attacken kommt

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    Stiere müssen ab dem kommenden Jahr in einer so genannten Bullenbox im Stall untergebracht werden. Damit soll das Risiko für Unfälle reduziert werden. Die männlichen Tiere sind nicht nur schwerer, sondern greifen auch schneller an als Kühe.
    Stiere müssen ab dem kommenden Jahr in einer so genannten Bullenbox im Stall untergebracht werden. Damit soll das Risiko für Unfälle reduziert werden. Die männlichen Tiere sind nicht nur schwerer, sondern greifen auch schneller an als Kühe. Foto: Symbol-Carmen Jaspers, dpa

    Meist sind es Attacken wie aus dem Nichts. Ohne Vorgeschichte. Und ohne, dass das Tier bereits vorher aufgefallen wäre. So beschreibt es Michael Schenk, Sprecher der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) in Schwaben. 1.348 meldepflichtige Unfälle im Umgang mit Rindern gab es 2022 in Bayern. 216 ereigneten sich auf Höfen im Allgäu sowie im Raum Augsburg. So beispielsweise in Bad Hindelang, wo im Frühjahr eine bis dato völlig friedliche Kuh eine Bäuerin gegen ein Metallgestänge drückte und verletzte. Die vier häufigsten Tätigkeiten, bei denen sich Unfälle ereignen, sind laut Schenk: „Melken, Fütterung, Behandlung und Besamung, Treiben von Rindern.“

    Stier im Stall: Experten raten zur Vorsicht - "Angriffschwelle niedriger als bei Kühen"

    Als besonders riskant gilt der Umgang mit Stieren. „Unfälle mit angreifenden Deckbullen gehen fast immer mit schweren, häufig auch tödlichen Unfallfolgen einher. Sobald sie subjektiv eine Bedrohung für die Herde wahrnehmen, wird es gefährlich. Bei Stieren ist die Angriffsschwelle niedriger als bei Kühen“, sagt Schenk. Zudem haben die männlichen Tiere oftmals deutlich mehr Gewicht und Wucht als die weiblichen.

    (Lesen Sie auch: Vorarlberg: Bäuerin von Jungrind attackiert - schwer verletzt)

    Dennoch gibt es auf immer mehr Höfen (wieder) einen Deckbullen, der im Stall oder auf der Weide mit den Kühen mitläuft. Die Befürworter argumentieren, dass sie einen sehr hohen Deckungsgrad erreichen: Am Verhalten des Stieres kann der Landwirt erkennen, ob eine Kuh brünstig („rindig“) ist und besamt werden kann. Zudem können auch Kühe gedeckt werden, die nach einer künstlichen Besamung nicht trächtig werden. Doch sobald ein Stier auf dem Hof gehalten wird, ist höchste Vorsicht geboten, warnt Schenk.

    (Lesen Sie auch: Allgäuer Bauern demonstrieren gegen das geplante Verbot der Anbindehaltung)

    Das zeigt auch ein dramatisches Unglück, das sich im Herbst 2016 im Ostallgäu ereignete: Ein 48-jähriger Bauer wurde bei Zaunarbeiten von einem Jungstier angegriffen und tödlich verletzt. „Wir haben den Stier damals den Sommer über mit auf die Weide zu den jungen Kühen gestellt. Nach und nach wurden sie fast alle auf natürliche Weise von dem Stier gedeckt“, beschreibt die Witwe des Bauern, warum sich die Bauernfamilie dazu entschieden hatte. Seit dem tragischen Unfall gibt es jedoch keinen Stier mehr auf dem Hof. Stattdessen lässt die Familie die Kühe nun künstlich besamen. Diesen Vorgang übernehmen ein Tierarzt und Experten einer Besamungsstation.

    Andere Bauern setzen dagegen weiterhin auf den so genannten Natursprung, also die natürliche Form der Begattung bei Nutztieren. Um die Unfallgefahren zu minimieren, gilt ab dem kommenden Jahr für die Stierhaltung eine neue Vorschrift: Die Bauern müssen über eine so genannte Bullenbox aus Metallstangen verfügen, die in der Nähe der Herde aufgebaut werden kann. Dort ist der Stier untergebracht und dort erfolgt – separiert von den anderen Tieren – auch die Besamung, erläutert Schenk.

    Wie reagiert ein Stier auf die Farbe rot? Experte gibt Antwort

    Übrigens: Dass ein Stier auf die Farbe „rot“ aggressiv reagiert, ist eine Legende. Sie stammt daher, dass beim spanischen Stierkampf ein rotes Tuch geschwungen wird. Doch nicht die Farbe, sondern die ruckartige Bewegung macht den Stier wütend. Oder andersherum: „Die Ruhe, die man in einen Stall reinbringt, wirkt positiv auf die Tiere“, sagt Schenk. Und das sei wichtig: Denn auch Kühe können ausrasten. „Sie achten auf jede Bewegung und reagieren zum Beispiel bei großen Hell-Dunkel-Unterschieden leicht gereizt.“

    In modernen Ställen, in denen die Kühe frei herumlaufen können, sei das Risiko für Bäuerinnen und Bauern größer als bei der Anbindehaltung. „Man hat es im Laufstall mit einer Herde zu tun, und nicht nur mit einem einzelnen, angebundenen Tier. Deshalb sollte man bei einem Laufstall immer Fluchtmöglichkeiten für den Landwirt einplanen“, empfiehlt Schenk.

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