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Auf Wiedersehen, liebes Allgäu!

Redaktionsleiter Uli Hagemeier über seinen Abschied

Auf Wiedersehen, liebes Allgäu!

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    Uli Hagemeier verlässt die Allgäuer Zeitung.
    Uli Hagemeier verlässt die Allgäuer Zeitung. Foto: Ralf Lienert (Archiv)

    Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    heute schreibe ich Ihnen zum letzten Mal. Fast zehn Jahre lang durfte ich die Redaktion der Allgäuer Zeitung leiten. Das ist für mich der schönste Job, den die Region zu bieten hat, doch nun folge ich meiner Frau in den Norden.

    2013 hatte ich kein klares Bild vom Allgäu und wurde positiv überrascht: Dieser Landstrich überzeugt natürlich durch eine faszinierende Natur und Kulturlandschaft. Außerdem zum Beispiel durch ein üppiges kulturelles Angebot, selbst in vielen kleinen Orten, getragen von engagierten Menschen.

    Überhaupt, die Menschen: der größte Schatz! Das Interesse an der Heimat, das Bewahren dessen, was Tradition Schützenswertes bietet, der Zusammenhalt in Vereinen und Initiativen, das Ringen in kommunalpolitischen Gremien, alles über Generationen hinweg, das macht das Allgäu besonders.

    Was mich oft beeindruckt hat an den Allgäuerinnen und Allgäuern

    Erstklassige Bildungseinrichtungen und eine auch international erfolgreiche, breit aufgestellte Wirtschaft, getragen von vielen Unternehmerfamilien, bieten dafür das Fundament. Das Allgäu profitiert vom Tourismus, klar, darf aber endlich auch mit den anderen 90 Prozent seiner Wirtschaftsleistung werben.

    Was mich oft beeindruckt hat, ist die vorbehaltlose Hilfsbereitschaft, wenn andere in Not sind. Das habe ich in dieser vorbildlichen Selbstverständlichkeit woanders nicht beobachtet. Die Allgäuer übernehmen Verantwortung, sie warten nicht auf andere.

    Voller Dankbarkeit blicke ich auf viele Begegnungen mit interessanten Frauen und Männern zurück. Nicht nur mein Wortschatz wurde bereichert: Der Menschenschlag, der statt zu grübeln lieber „hirnt“ und „noch einmal darüber melken möchte“, statt eine unbedachte Antwort zu geben, hat mich Zurückhaltung gelehrt und mein Herz erobert.

    Mir ging es immer um die Sache, nie um Personen

    Wenn ich in meinen Kommentaren dennoch jemanden zu sehr angerempelt habe, bitte ich das zu entschuldigen. Es ging mir immer um die Sache, nie um die Person, schon gar nicht um meine. Für die konstruktive Kritik, die an meiner Arbeit geäußert wurde, bin ich dankbar; sie hilft mir, besser zu werden. Es war viel los in diesen Jahren, nicht nur im Allgäu: Die Flüchtlingsbewegung ab 2015 mit Brandanschlägen auf Gebäude auch bei uns, später die Pandemie und immer bedrohlicher der Klimawandel sind mehr als genug. Leider hängt nun auch Pulverdampf über Europa und damit wieder über unserer Welt.

    (Lesen Sie auch: Haben wir als Gesellschaft verlernt zu diskutieren - das sagen unsere Autoren)

    Die Probleme werden größer, wir werden zum Beispiel wohl bald intensiv über die Verteilung des Wohlstandes sprechen und ganz sicher schnell darüber, was die Digitalisierung von „Intelligenz“ mit unserer Arbeitswelt macht. Viel, viel mehr angebliche und tatsächliche Fakten werden zudem schon morgen unser Leben fluten.

    (Lesen Sie auch: OpenAI-Chef: Künstliche Intelligenz sollte reguliert werden)

    Die Bedeutung von Journalismus wird das nicht mindern, aber womöglich die Ressourcen, die Menschen dafür erübrigen. Was bedeutet das für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

    Vielen Dank für Ihre Wertschätzung und Ihr Vertrauen

    Wenn Gewissheiten sich auflösen, treten an deren Stelle oft Sorge und Angst, zuweilen Wut. Für komplexe Fragen gibt es jedoch keine einfachen Antworten, auch wenn Wirrköpfe anderes krakeelen. Es ist allerdings an der Zeit, über reale Zustände zu diskutieren, nicht vor allem über Begrifflichkeiten.

    Vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Wertschätzung; beides hat mich getragen. Bitte schenken Sie dies auch meinen Nachfolgern Markus Raffler und Sascha Borowski sowie weiterhin den vielen guten Redaktionen der Allgäuer Zeitung. Alle gemeinsam werden weiter ehrlich über das berichten, was ist, beobachten und sich einmischen, wenn es ihnen geboten erscheint.

    "Es war oft ein Schmunzeln im Blatt!

    „Es war oft ein Schmunzeln im Blatt, seit Sie hier sind“, sagte neulich jemand. Das hat mich gerührt, denn so möchte ich leben und arbeiten - mit Humor und voller Zuversicht. Auch wenn die Welt aus den Fugen zu geraten scheint: Vieles ist gut im Allgäu und wird es auch bleiben, solange Sie alle darauf achtgeben. Es ist wohltuend, dass die Allgäuer manche Dinge gelassener betrachten als der Rest des Landes (die Allgäuerinnen selbstredend auch; das zu betonen, ist jedoch ebenfalls wichtiger geworden).

    Ich habe hier Freunde gefunden, liebenswerte Menschen, an deren verlässlichem inneren Kompass ich meinen eigenen Weg prüfen kann. Dieses große, unverdiente Geschenk werde ich sorgsam pflegen. Deshalb möchte ich hier einen Ankerplatz behalten und später dauerhaft zurückkehren.

    Nun übergebe ich den schönsten Job im Allgäu mit Wehmut, aber auch mit einem Lächeln. Nach zehn Jahren ist es richtig, fortan andere den Kurs bestimmen zu lassen, und gut, den eigenen Blick mal wieder nach außen zu richten.

    Ihr Uli Hagemeier

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