Es werden wesentlich weniger Wohnungen und Häuser gebaut als früher. Auch im Allgäu. Dabei wird Wohnraum dringend benötigt. Warum es Probleme gibt und wie sie gelöst werden könnten, war Thema des Allgäuer Baugipfels, zu dem der Allgäuer CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke für Donnerstag nach Kaufbeuren eingeladen hatte. Unter den Gästen waren Vertreter der Baubranche, des Handwerks, der Banken und aus der Politik - etwa der Bayerische Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter (CSU).
Versprochen, aber nicht geliefert. Die Bundesregierung habe 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. "Dieses Ziel wird deutlich unterschritten", sagte Stephan Stracke. Zudem befinde sich die Bauindustrie "in einer großen Krisensituation". So gab es 2023 in Deutschland nur halb so viel Wohnungsbau wie in den Jahren zuvor, sagte Ulrich Lange, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU im Bundestag. Auch Zahlen aus der Region hatte er dabei: In Kaufbeuren, Ostallgäu, Memmingen und Unterallgäu habe es 2023 im Vergleich zum Vorjahr bis zu 50 Prozent weniger Bauprojekte von Privatleuten gegeben, die bei der KfW angemeldet worden sind. KfW ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die im Auftrag von Bund und Ländern arbeitet und über die der Bau von Häusern gefördert wird.
Warum werden derzeit kaum Wohnungen und Häuser gebaut? Die Antwort lässt sich aus dem zweistündigen Gespräch grob so zusammenfassen: zu viel Bürokratie, zu wenig staatliche Förderung, zu hohe Zinsen.
Wie macht sich die Bürokratie im Wohnungs- und Hausbau bemerkbar? Zum Beispiel so: Wenn ein Bauunternehmer plane, ein Haus zu bauen, warte er teils bis zu vier Jahre, bis er alle Genehmigungen habe, sagte Thomas Scheibel, Inhaber des gleichnamigen Füssener Bauunternehmens. Gleichzeitig gebe es immer strengere Auflagen. Peter Leo Dobler, Geschäftsführer des Bauunternehmens Dobler aus Kaufbeuren, hat ein Beispiel: Wenn etwa ein altes Gebäude abgerissen wird, müssen dem Material vor der Entsorgung Proben entnommen und analysiert werden - etwa darauf, ob sie asbesthaltig sind. Das koste teils tausende Euro. Jeden Tag werde es komplizierter. "Wir fahren an die Wand, wenn es so weiter geht."
Kann die Bürokratie abgebaut werden? So recht mag er nicht mehr daran glauben, sagt Gerhard Schlichtherle, geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienentwicklers Acredo Bau in Kaufbeuren. Denn es liege nicht mehr allein an der Politik, sondern auch an der Gesellschaft. Viele Menschen fühlten sich heute schnell in ihren Rechten beschnitten und versuchten, über Bürgerinitiativen, Rechtsstreits und Gutachten ihre Sicht der Dinge durchzusetzen. So entstehe ein großer Verwaltungsaufwand. Dennoch wäre es schon eine Hilfe, wenn die Politik einen Teil der Bürokratie abbauen und Vorgaben verschlanken würde.
Sachbearbeiter von früher: Vor Jahren hätten sich Firmen und private Bauherren noch mit Sachbearbeitern in den Ämtern zusammensetzen und gemeinsam nach Lösungen für bestimmte Probleme suchen können, sagte Robert Klauer, Kreishandwerksmeister Ostallgäu/Kaufbeuren. Das sei sehr hilfreich gewesen. Solche erfahrenen Sachbearbeiter gebe es aber immer seltener. Stattdessen werde man heute oft weggeschickt, wenn zum Beispiel bei einem Bauantrag ein Detail fehle, waren sich einige Gäste einig. Das koste viel Zeit.
Kleine Betriebe sterben leise: Probleme wie die Bürokratie müssten schnell gelöst werden, sagte Robert Klauer. Denn sie seien existenzgefährdent, gerade auch für kleinere Handwerksunternehmen. "Kleine Betriebe auf dem Land sterben leise, die sind einfach irgendwann mal weg." Wenn solche Betriebe zu machten, wie sollen dann 400.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, fragte Klauber.
Finanzielle Hilfe überarbeiten: Der Staat muss seine Förderungen überarbeiten, damit es sich für Unternehmen und Privatleute wieder lohnt, zu bauen, forderte Hubert Schwarz von der Sparkasse Schwaben-Bodensee. Zum Beispiel sei eine staatliche Unterstützung für junge Familien mit Kindern und mit mittlerem Einkommen nötig, damit sie sich Eigentum leisten könnten. Gleichzeitig kritisierten er und weitere Gipfel-Teilnehmer, dass der Bund nur noch das Energie-Effizienzhaus 40 (eh40) fördere und nicht mehr die Variante eh55. eh40 bedeutet, dass das Haus nur 40 Prozent der Energie benötigt, die im Gebäudeenergiegesetz für ein Haus verlangt wird. Weil der Bau eines eh40-Hauses aber teurer ist als bei eh55, werde das Fördergeld von den Mehrausgaben verschlungen. Auf die Förderungen müsse außerdem mehr Verlass sein. Einige Male kam es in den vergangenen Monaten vor, dass Fördergeld des Bundes teils schon wenige Stunden nach dem Start des jeweiligen Programms vergriffen war. Das koste Vertrauen.