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Gründe Bauerndemos - Die Motivation der Landwirte im Allgäu

Landwirte sprechen mit unserer Redaktion

Allgäuer Bauern und eine Unternehmerin erklären: Darum gehen wir auf die Straße

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    Das Medienzentrum der Allgäuer Zeitung in Kempten haben Landwirte am späten Sonntagabend blockiert. Bei ihren Protesten gehe es ihnen um viel mehr als nur um den Agrardiesel, sagten Bauern aus der Region später im Gespräch mit unserer Redaktion.
    Das Medienzentrum der Allgäuer Zeitung in Kempten haben Landwirte am späten Sonntagabend blockiert. Bei ihren Protesten gehe es ihnen um viel mehr als nur um den Agrardiesel, sagten Bauern aus der Region später im Gespräch mit unserer Redaktion. Foto: Matthias Becker

    Die Motivation für die Proteste erklärt Jürgen Hummel so: „Wir wollten alle aufrütteln und mit der Einschätzung wahrgenommen werden, dass bei uns etwas schief läuft.“ Der Obergünzburger Land- und Energiewirt war bei der nächtlichen Blockade des Allgäuer Medienzentrums in Kempten dabei. Aus seiner Sicht sollten künftig keine solchen Aktionen mehr stattfinden, sondern beispielsweise Mahnwachen. Die Proteste müssten aber fortgesetzt werden, sagt Hummel: „Es geht ja längst nicht mehr nur um die Landwirtschaft, sondern auch um den Mittelstand.“

    Bauerproteste: Was sind die zentralen Forderungen?

    Zu den zentralen Forderungen von Bauern und Mittelständlern gehört der Abbau von Bürokratie. Die Politik dürfe diesen nicht nur versprechen, sie müsse ihn schnell umsetzen, sagt der Landwirt Stefan Wiest aus Dietmannsried, der ebenfalls bei der Blockade des Medienzentrums dabei war. „Die wachsenden Proteste sollten ein klares Warnsignal an die Politik sein, dass ein sofortiges Handeln erforderlich ist, nicht erst in Wochen oder Jahren.“ Die Landwirtinnen und Landwirte hätten über viele Jahre eine intensive Ausbildung absolviert. „Wir wollen unserer Arbeit nachgehen und nicht mit überflüssiger Bürokratie überfordert werden.“ Die Hürden und die unsichere Zukunft hielten immer mehr junge Bauern davon ab, die Hofnachfolge anzutreten.

    Warum steht Prokuristin Käßmeyer hinter den Protesten?

    Eine ähnliche Sichtweise hat Patricia Käßmeyer, Prokuristin beim Biomasse-Kompetenz-Zentrum Käßmeyer in Erkheim (Kreis Unterallgäu). „Jedes Jahr kommen neue Vorgaben hinzu, wir haben Ordner über Ordner. In der normalen Arbeitszeit ist das kaum noch zu schaffen.“ Dementsprechend steht Käßmeyer hinter den Anliegen der Bauern. Für sie „gehört eine kleinstrukturierte Landwirtschaft zu einer lebenswerten Umgebung. Man kennt die Landwirte und sieht, woher das Essen kommt“.

    Für Käßmeyer ist es wichtig, dass man „gemeinsam um eine Sache kämpft“. In der Politik werde dies nicht vorgelebt: „Sie zieht nicht mehr an einem Strang.“ Die Politik vermittle keine Sicherheit mehr, moniert Käßmeyer. Es sei an der Zeit, dass sie die Anliegen der Landwirte ernst nehme und effektive Maßnahmen ergreife, um die Belastungen zu reduzieren, fordert der Dietmannsrieder Stefan Wiest. Bei den Protesten „werden immer mehr Menschen und Organisationen mitziehen“, ist sie überzeugt.

    Wie geht es mit den Demos der Landwirte nun weiter?

    Aber mit welcher Art von Demos geht es nun weiter? Nach Meinung von Jürgen Hummel sollte es keine Blockaden mehr geben: „Wir wollen den Verbrauchern keinen Schaden zufügen.“ Stattdessen könnten beispielsweise Mahnfeuer stattfinden. Eine solche Aktion sei etwa für Freitag im Ostallgäuer Blöcktach vorgesehen. Auch Wiest sagt, dass derzeit keine weiteren Blockaden geplant würden. Ihm sei jedenfalls nichts bekannt. Für die Zukunft wünscht sich Hummel, dass Bauern, die Lebensmittel für alle produzierten und die Kulturlandschaft pflegten, nicht mehr pauschal als „Klimakiller und Tierquäler hingestellt“ werden.

    Über was haben die Bauern mit der Allgäuer Zeitung gesprochen?

    Mit Teilnehmern an der Blockade im Medienzentrum haben Geschäftsführung und Redaktionsleitung der Allgäuer Zeitung ein konstruktives Gespräch geführt. Dabei ging es auch um die Rolle der Medien (wir berichteten). Von Seiten der Landwirte hieß es beispielsweise, dass ihre Anliegen in den meisten Medien nicht immer richtig dargestellt würden. Stefan Wiest moniert außerdem, dass „die Komplexität“ der aktuellen Situation nicht angemessen wiedergegeben werde. In vielen Berichten über die Bauerndemos sei der Eindruck entstanden, dass sich der Protest ausschließlich gegen den Agrardiesel richte. Doch die Probleme gingen weit darüber hinaus.

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    Die Redaktionsleiter der Allgäuer Zeitung, Sascha Borowski und Markus Raffler, betonten, dass gerade in den vergangenen Wochen über eine Vielzahl landwirtschaftlicher Themen berichtet worden sei – nicht nur über die Diskussion um den Agrardiesel. Die Palette reiche von der überbordenden Bürokratie über die Gülleverordnung bis hin zur umstrittenen Anbindehaltung und den Milchpreis. Ein erfahrener Landwirt schilderte in der Zeitung und Online zudem ausführlich, warum sich die Situation der Bauern in den vergangenen Jahrzehnten massiv verschlechterte.

    Was sagen die Redaktionsleiter zu einer Vermutung?

    Bei dem Gespräch im Medienzentrum wurde auch die Vermutung laut, dass Medien die Politik nicht kritisieren dürften. Hier widersprachen die AZ-Vertreter energisch: Die Kontrolle der politisch Verantwortlichen gehöre zu ihren wichtigsten Aufgaben. Dies geschehe täglich – von der kommunalen bis zur Bundesebene. Die Pressefreiheit stehe im Grundgesetz. Wichtig sei dabei, dass beide Seiten gehört werden: Kritiker und Kritisierte. Nur so sei es möglich, ausgewogen und fair zu berichten. Eines war Raffler und Borowski ebenfalls wichtig: Es brauche keine Blockade-Aktion mit Traktoren, um mit der Redaktion ins Gespräch zu kommen: „Ein Anruf oder eine Mail hätten genügt.“

    Lesen Sie auch unseren Kommentar von Helmut Kustermann zum Thema: Bauernproteste: "Jetzt droht die Stimmung zu kippen"

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