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Der Mann für alles

Kempten

Der Mann für alles

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    Schauspieler und Regisseur Wolfgang Seidenberg
    Schauspieler und Regisseur Wolfgang Seidenberg Foto: Matthias Becker

    Ganz gewöhnliche Leute patrouillieren mit Gewehren an der Grenze zu Österreich, um illegale Migranten zu stoppen? Im Allgäu, etwa bei Füssen oder bei Scheidegg, wäre das unvorstellbar. Im Süden der USA aber, wo Menschen aus Mexiko die Grenze überwinden wollen, gibt es derart Verrückte. Der Spanier Juan Carlos Rubio, der davon in der Zeitung gelesen hatte, schrieb 2005 darüber ein Theaterstück mit dem Titel „Arizona“. Dass es nun, als erste Eigenproduktion dieser Saison, im Kemptener Theater zu sehen ist, bewerkstelligten Theaterdirektorin Silvia Armbruster und ihr Lebensgefährte, der Schauspieler, Autor und Regisseur Wolfgang Seidenberg.

    Sie entdeckten bei ihrem gemeinsamen Besuch in Madrid vor zwei Jahren Rubios Zwei-Personen-Stück, das bis dahin nur in Spanien und Amerika aufgeführt worden war. Und waren sich schnell einig, dass sie dieses hochaktuelle politische Thema auf die Kemptener Bühne bringen möchten. „Arizona soll ein kleiner Beitrag sein zur Diskussion, was wir an unserem Leben ändern müssen, um Gerechtigkeit herzustellen“, sagt Seidenberg.

    Nun laufen seit einigen Wochen die Proben, am kommenden Donnerstag ist Premiere in der Theaterwerkstatt. Danach ist Arizona acht weitere Male zu sehen. Armbruster und Seidenberg haben sich die Rechte direkt beim Autor Rubio gesíchert – nach einem langen Gespräch. Seidenberg, der leidlich spanisch versteht, übersetzte es mit Hilfe einer englischen Fassung und sorgte dramaturgisch dafür, dass es auf Deutsch funktioniert.

    Ihn fasziniert das Drama um George und Margaret, die mit Waffen in den Händen gegen Flüchtlinge vorgehen wollen. „Das Stück sucht die große Politik im Kleinen“, sagt Seidenberg. „Und es geht der Fragen nach, was wir verteidigen – welche Werte, welche Lebensweise.“ Das Thema Migration ist schließlich nicht nur in Arizona aktuell, sondern ebenso in Spanien und Deutschland. „Die Flüchtlingsströme versiegen nicht“, sagt er. Seidenberg führt auf Bitten seiner Frau, der Theaterdirektorin, Regie in dieser deutschen Erstaufführung. Die derzeit in Kempten stationierte Schauspielerin Birgit Reutter und Philipp Brammer vom Theater Hof haben die Rollen der beiden tragikomischen Grenzwächter in diesem Stück übernommen, das sich eher ans absurde Theater à la Beckett anlehnt und nicht so sehr realistisch-naturalistisch ist.

    Seidenberg ist so etwas wie der „Mann für alles“ am Kemptener Theater. Der 57-Jährige taucht immer wieder in verschiedenen Funktionen auf – mal als Schauspieler wie in der „Judenbank“, mal als Bearbeiter wie in „Madame Bovary“, mal als Regisseur wie im Mafiastück „Traumjobs“. Vieles kann er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Silvia Armbruster realisieren. „Wir funktionieren als Team sehr gut“, sagt Seidenberg. „Es ist aber auch wichtig, dass Jeder seine eigenen Wege geht.“ Das Kemptener Publikum empfindet er als offen und kritisch. „Wir können hier sehr viel ausprobieren.“

    Armbruster übernahm 2015 die Leitung in Kempten. Seither lebt auch er in der Stadt. Er fühle sich wohl hier. „Eine schöne Stadt mit einem schönen Theater.“

    Freunde von Vorabend-Serien kennen den 1,95-Meter Mann mit den freundlichen braunen Augen durch seine Rolle als Klempnermeister Frank Töppers in der ARD-Seifenoper Marienhof, die täglich vier bis fünf Millionen Zuschauer sahen. „Ich mochte das Spielen in dieser Soap – auch wenn viele die Nase rümpfen“, sagt er. Seidenberg wurde bekannt wie ein bunter Hund, die Leute sprachen ihn auf der Straße an.

    Seit dem Ende von Marienhof 2011 hat sich das freilich geändert. Nun ist er vor allem als freischaffender Schauspieler im deutschsprachigen Raum unterwegs, tritt in Theaterstücken auf und im Fernsehen. Er sei eigentlich kein sesshafter Mensch, sagt Seidenberg. „Das Reisen gehört zu meinem Beruf, den ich liebe.“ Schon als Kind wollte er Schauspieler werden, er verfolgte dieses Ziel konsequent. Auch in Kinofilmen ist Seidenberg zu sehen, etwa in den bizarren Streifen von Roland Rebers, der unabhängig, ohne Filmförderung, Projekte realisiert. „Ich liebe schräge Geschichten und bizarren Humor.“

    Zur Arizona-Premiere am Donnerstag wird Autor Juan Carlos Rubio aus Spanien anreisen - was Seidenberg natürlich sehr freut. Er hat mit ihm viele Kontakte gehabt in den vergangenen zwölf Monaten, in denen er das Stück für Kempten einrichtete. Hat mit ihm immer wieder über Details gesprochen und sich am Ende auch die Übersetzung insgesamt abgegnen lassen. Inzwischen hat Seidenberg Arizona anderen deutschprachigen Theatern angeboten, bisher aber noch keine Reaktion erhalten. Vermutlich warten sie ab, ob das Stück in Kempten Erfolg haben wird.

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