Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Der Sinn und Unsinn von Betonwänden

Bregenz

Der Sinn und Unsinn von Betonwänden

    • |
    • |
    Miriam_Cahn_Tretter_ueberlebende__1998_1952_U4A2633
    Miriam_Cahn_Tretter_ueberlebende__1998_1952_U4A2633 Foto: Markus Tretter/KUB

    Die Betonwände im Kunsthaus bringen Miriam Cahn auf die Palme. Darüber klagte die Künstlerin schon bei der Eröffnung ihrer Ausstellung, und jetzt konnte sie die Kritik sogar beim Planer des Gebäudes loswerden. Architekt Peter Zumthor sprach mit ihr darüber bei einem öffentlichen Dialog, der prompt auf großes Interesse stieß: Der Erdgeschoss-Saal füllte sich bei diesem Gipfeltreffen zweier Stars mit vielen hundert Zuhörern.

    Zwei berühmte Schweizer sitzen da auf der kleinen Bühne, um miteinander über Architektur und Kunst zu sprechen. Beide sind fast gleich alt (Cahn 69, Zumthor 76), beide stammen aus Basel, und beide leben nun in Graubünden. Getroffen haben sie einander freilich nie, doch aus der Distanz genau verfolgt, was der jeweils andere macht. Architekt Zumthor verrät gleich zu Anfang, dass er Cahns Kunst mag. Im Gegenzug lobt Cahn das Kunsthaus – etwa die gewiefte indirekte Führung des Tageslichts. Dennoch hat sie Wesentliches auszusetzen. Erstens sei ihr das Kunsthaus zu sakral, zumal für ihre so profane Kunst. Und zweitens, viel schlimmer, sind da diese Betonwände. „Unheimlich ungeeignet“, meint sie. Und warum? Weil sie da nicht einfach ihre kleinen Bilder an die Wände nageln und tackern kann, wie sie es sonst so gerne macht.

    Dieses „Hängen“ von Werken auf performative Art, oft als Kombi von kleinen großen Bildern, sei ihr hier leider nicht gelungen, lässt sie den Architekten wissen. Deswegen, so verrät die impulsive Schweizer Künstlerin, habe sie gezögert, die Einladung ins Kunsthaus überhaupt anzunehmen. Ja, sie habe sogar ein wenig Angst gehabt.

    Dabei hat es Zumthor ja nur gut gemeint, damals in den 1990er Jahren. Er wollte was anderes bauen als die gängigen White Cubes und Black Boxes. Der Betonbau sollte ein besonders gutes Gefäß für Kunst sein. In „jugendlicher Überheblichkeit“ habe er gedacht: „Die guten Künstler werden gut ausschauen, die schlechten Künstler schlecht.“ Inzwischen haben ja auch viele Künstlergäste dieses Konzept gelobt. Bis Miriam Cahn kam ...

    Ein unversöhnlicher Gegensatz also? Nein, am Ende einigen sich die beiden. Die Ausstellung funktioniere doch ziemlich gut, sagt er. Worauf sie antwortet: „Das tut es.“

    Womit Cahn und Zumthor nach einigem Hin und Her bei der Kunst angelangt sind, und Cahn in Erinnerungen schwelgt an die revolutionäre Basler Zeit. Cahn erinnert an den Aufbruch, den sie dort in den 1960er und 1970er Jahren erlebte, als Performance-Künstler eine neue Stilrichtung ausprobierten. „Es lebt sich gut als Radikale“, sagt sie.

    Auch wenn die Schweizerin und der Schweizer beim höflich-förmlichen Sie bleiben: Es geht locker und vergnüglich zu. Weil vor allem Cahn immer wieder unkonventionell zuspitzt, und weil Zumthor fein fragt und kommentiert. So kann das Publikum sogar herzhaft lachen, als es um die letzten Dinge geht. Ob Cahn schon eine Vorstellung hat, was nach dem Tod mit ihrer Kunst passieren soll? Antwort: „Ist mir egal. Ich bin ja tot.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden