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Allgäuer Dialekt und Diskrimierung: Dialektsprecher fordern mehr Akzeptanz

Dialekt im Allgäu

"Wer Dialekt spricht, darf nicht diskriminiert werden": Vereine für mehr Allgäuerisch an Schulen

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    Kinder und Jugendliche, die zur Allgäuer Mundart stehen, haben es nicht immer leicht. Vor allem, wenn sie starken Dialekt sprechen, werden sie teils von Gleichaltrigen gehänselt oder von Lehrern belächelt, beklagen Mundart-Verbände. Doch es gibt auch positive Beispiele an Schulen.
    Kinder und Jugendliche, die zur Allgäuer Mundart stehen, haben es nicht immer leicht. Vor allem, wenn sie starken Dialekt sprechen, werden sie teils von Gleichaltrigen gehänselt oder von Lehrern belächelt, beklagen Mundart-Verbände. Doch es gibt auch positive Beispiele an Schulen. Foto: Armin Weigel, dpa, (Archiv)

    „Griaß di“ statt Hallo. „Fehl“ statt Mädchen. „Hennabrupfa“ statt Gänsehaut. „Kitterfiddle“ anstelle von „Person, die gerne kichert“. Die Dialekte im Allgäu sind vielfältig und bieten eine Reihe von unnachahmlichen Wörtern und Redewendungen. Doch mundartsprechende Kinder und Jugendliche haben oftmals keinen leichten Stand. „Sie werden von Gleichaltrigen teils ausgelacht und leider manchmal auch von Lehrern belächelt“, sagt Hubert Kolb, Vorsitzender des Allgäuer Gauverbandes der Gebirgstrachten und Heimatvereine.

    Ähnliches beobachtet Sepp Obermeier, Vorsitzender im Bund Baierische Sprache: „Dialektsprechen wird immer noch völlig zu Unrecht diskreditiert“, sagt der Niederbayer. Von Eltern aus dem Unterallgäu sei ihm zum Beispiel vor Jahren berichtet worden, dass ein Schulleiter Kindern verboten habe, auf dem Pausenhof Dialekt zu sprechen. Zwar habe das Kultusministerium 2006 eine Vorgabe erlassen, wonach Dialekt auf Augenhöhe mit Hochdeutsch behandelt werden solle. Doch speziell an Mitte- und Realschulen gebe es Luft nach oben. Grund: „Noch immer hält sich eine Irrlehre aus den 1970er Jahren, wonach Dialekt ein Hindernis für die schulische oder berufliche Karriere darstellen soll. Das ist inzwischen klar widerlegt“, sagt Obermeier. Studien hätten das Gegenteil bewiesen: „Kinder, die in der ersten Klasse Dialekt und Hochdeutsch sprechen, beherrschen bereits 1,5 Sprachen. Sie tun sich später beim Erlernen einer Fremdsprache leichter.“

    Hubert Kolb ist Vorsitzender im Allgäuer Gautrachtenverband.
    Hubert Kolb ist Vorsitzender im Allgäuer Gautrachtenverband. Foto: Melanie Fielenbach

    Ähnlich sieht es Gertrud Nigg-Klee, Bezirksvorsitzende im Bayerischen Lehrerinnen und Lehrerverbandes, aus Sonthofen: „Dialekt hat seine Berechtigung. Wenn ein Kind Dialekt spricht, tut es sich nicht schwerer Hochdeutsch zu sprechen und zu schreiben.“ Für mehr Akzeptanz der Dialekte setzt sich ein neuer Mundart-Dachverband in Baden-Württemberg ein. Er will Dialekt zurück an Kindergärten und Schulen bringen. Die Landesregierung fördert das Projekt mit 78.000 Euro pro Jahr, erklärt Initiator Markus Rösler auf Anfrage unserer Redaktion.

    Der Grünen-Landtagsabgeordnete aus Gerlingen will Vereine, Wissenschaftler, Künstler und interessierte Einzelpersonen besser vernetzen und das Image von Mundart in der Öffentlichkeit verbessern. Dabei hat er auch den baden-württembergischen Teil des Allgäus im Blick: „Uns geht es darum die Vielfalt der Dialekte zu erhalten. Sie gehören zur kulturellen und regionale Identität. Genau wie im Allgäu beispielsweise die Alpwirtschaft oder die Streuobstwiesen.“

    Neuer Mundart-Dachverband in Baden-Württemberg will auch in Teilen fürs Allgäu zuständig sein

    Konkret sollen beispielsweise Mundart-Kenner oder -Künstler an Schulen eingeladen werden. Darüber hinaus soll ein Mundart-Preis in den sozialen Netzwerken jüngere Menschen im „Ländle“ ansprechen. Dialektsprecher sollen zu Selbstbewusstsein ermutigt - und Neulinge dafür begeistert werden. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass Kinder mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich am Dialekt interessiert sind.“ Wichtig ist ihm der Spaß. „Wir wollen nichts verordnen.“ Klar sei aber auch: "Niemand darf wegen seines Dialekts diskriminiert werden!"

    (Lesen Sie auch: Mit Omas Rezepten fing alles an: Allgäuerin begeistert 17.000 Facebook-Nutzer)

    Diesen Ansatz verfolgt auch der 2004 gegründete Verein Mundart Allgäu, der heimische Dialekte erhalten und pflegen will. „Die Sehnsucht nach dem Thema ist da. Es gibt zum Glück noch viele Allgäuerinnen und Allgäuer, die mit Herzblut dabei sind“, sagt Vorsitzender Simon Gehring. Wenn in den Familien kein Dialekt mehr gesprochen werde, würde er immer mehr in Vergessenheit geraten. Zur Beschäftigung mit dem Dialekt animiert der Verein Kinder beispielsweise mit (Hör-)Büchern oder Mundart-Ratespielen Seit 2020 wird zudem im Zwei-Jahres-Rhythmus der Mundart-Wettbewerb unter dem Motto „so schwätz i“ für Schülerinnen und Schüler aus dem Allgäu veranstaltet.

    (Lesen Sie auch: Das große Quiz zum Allgäu: Von "Hennabrupfa", Kluftinger und Kühen)

    Wie Mundart spielerisch vermittelt werden kann, zeigt auch das Beispiel der Grundschule Rettenberg (Oberallgäu): Bei einer Projektwoche wurde der Dialekt ins Zentrum gerückt. Zum Beispiel mit einem eigenen Memory-Spiel mit Allgäuer Begriffen oder einem Theaterstück mit Mundart-Dichterin Cornelia Beßler. Musikerin Heidi Roth aus Vorderburg schrieb sogar ein Diaekt-Lied für die Jüngsten.

    Für Rektorin Anita Scherm gehört der Dialekt dazu. „Wir tun uns als Dorfschule sicher leichter als städtische Schulen. Bei uns sprechen viele Kinder von Haus aus noch Dialekt“, sagt die gebürtige Augsburgerin, der typische Allgäuer Wörter wie haage (Zaun machen) selbstverständlich über die Lippen gehen.

    Für sie klingt Dialekt so schön, „dass ich ihn bei den Kindern gar nicht wegbringen will.“ .

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