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„Die Arbeit wird immer mehr zur Kopfsache“

Rettenberg/Obergünzburg

„Die Arbeit wird immer mehr zur Kopfsache“

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    Stefan Holzer
    Stefan Holzer Foto: Felix Futschik

    Stefan Holzer steht auf dem Hof seiner Schreinerei im Oberallgäuer Rettenberg. Vor dem Schreinermeister liegt zum Trocknen aufgeschnitten ein alter Eichenstamm. „Die Eiche stand in Rettenberg und wurde gefällt, weil ein Haus gebaut wurde“, sagt Holzer. Daraus könne man einen schönen rustikalen Tisch machen. „Ich kann dann zum Kunden sagen, dass er mit dem Tisch ein paar Jahrhunderte Rettenberger Geschichte in seiner Wohnung stehen hat“, erzählt Holzer. Das sei das Schöne am regionalen Holz, man könne eine Geschichte erzählen.

    Schon seine Vorfahren haben heimische Bäume verwendet – die Geschichte der Schreinerei geht zurück auf das Jahr 1901 und zeigt beispielhaft, wie sich das Handwerk verändert hat. Holzer führt das Familienunternehmen bereits in vierter Generation. „Die Arbeit vor 15 Jahren war definitiv anders als heute“, sagt der 43-Jährige. Die Weiterentwicklung sei auch eine Eigenschaft des Handwerks. Es ist sozusagen Teil der Tradition.

    „Wenn ich die Technik von meinem Urgroßvater mit der heutigen vergleiche, fällt sofort auf, dass da ganz schön was dazugekommen ist“, sagt Holzer. Damals sei viel mehr als heute das Massivholz ausschlaggebend gewesen. „Die Möbel haben dann auch lange gehalten“, betont er. Heute werde hauptsächlich Plattenmaterial verwendet und die Menschen hätten nicht mehr den Anspruch, dass ein Möbelstück in 100 Jahren noch funktioniert. Sie wollen häufig nach 20 Jahren ein neues Design, wie Holzer sagt.

    Auch die Technik habe sich stark verändert. Wofür früher Handarbeit notwendig war, gibt es heute moderne Maschinen. Plakativ für die Veränderung im Schreiner-Handwerk sei die CNC-Maschine. Ein Gerät, das computergesteuert Werkstücke mit hoher Präzision und in komplexen Formen herstellen kann. Die Oberflächentechnik – beispielsweise die Veredelung von Küchenarbeitsplatten – sei heute ebenfalls anders. „Der Wärmeschutz wurde über die Jahre angepasst“, sagt Holzer. Dadurch verändere sich die Planung im Vergleich zu früher. Die Arbeit werde immer mehr zur Kopfsache. Und dazu gehören auch ein Marketingkonzept und eine Philosophie, erläutert der 43-Jährige. Seine Schreinerei hat sich auf Raumkonzepte spezialisiert. „Der Kunde soll von Anfang an wissen, was er am Schluss bekommt“, sagt Holzer und fügt hinzu: „Natürlich sind wir nicht eingleisig, wir machen zum Beispiel auch Badmöbel oder Fenster.“

    Wie der Alltag der Schreiner aussieht, zeigt der firmeneigene Instagram-Kanal. So trifft das traditionelle Handwerk auf soziale Medien. Veronika Tengel hat ihre Ausbildung bei Holzer im Sommer beendet. Die Liebe zum Beruf zeigt sie auf der Plattform mit Bildern und Videos. „Der Anstoß dazu kam bei einer Schulung, wie man Mitarbeiter gewinnt“, sagt die 19-Jährige. Der Kanal wird hauptsächlich von den Azubis betrieben und soll den Zuschauern zeigen, was man mit Holz alles machen kann.

    Wie wichtig Marketing für Kunden ist, weiß auch Schreinermeister Ralf Demmler aus Obergünzburg. Früher habe er mit einer Freihandzeichnung dem Kunden einen Entwurf präsentiert. Das würde heute nicht mehr funktionieren. „Die Leute können sich mit einfachen Programmen selber Möbelstücke gestalten“, sagt der 53-Jährige.

    Um den Kunden etwas bieten zu können, arbeitet die Ostallgäuer Schreinerei schon seit über vier Jahren mit „Virtual Reality“ – eine Technik, mit deren Hilfe der Kunde sich virtuell beispielsweise in seiner neuen Küche umschauen kann. „Dieses Gebiet übernimmt meine Tochter“, sagt Demmler. Sie hat eine Schreinerlehre gemacht, sich später fortgebildet und den „Gestalter im Handwerk“ und CAD-Fachkraft gelernt. Wenn der Kunde also eine Küche bestellt, übernimmt Demmler die räumliche Lösung, seine Tochter gestaltet die Präsentation.

    Das komme gut an. Demmler vergleicht das mit dem Kauf eines Wagens. „Wenn ich ein Auto zusammenstelle, habe ich auch einebestimmte Vorstellung von der Farbe, den Reifen, der Ausstattung“, sagt der Schreinermeister. „Wenn ich das dann Probe fahren kann, was soll dann schiefgehen?“

    Um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben, geht Demmler regelmäßig in Möbelgeschäfte. „Dort lasse ich mich von Trends inspirieren und vermische das mit meinem Stil“, sagt Demmler. Es bringe ja nichts, wenn er ewig Eckbänke baue, die keiner kaufen möchte.

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