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Eine Fichten-Fassade, neu interpretiert

Eglofs

Eine Fichten-Fassade, neu interpretiert

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    Ausgezeichnete Architektur: Allgäu Hotel Elllgass
    Ausgezeichnete Architektur: Allgäu Hotel Elllgass Foto: Matthias Becker

    Dieses Hotel hätte auch ganz anders aussehen können. Schließlich wurde es an einer heiklen Stelle gebaut: am Dorfplatz von Eglofs, einem der schönsten und harmonischten im ganzen Allgäu. Um den neugotischen Brunnen in der Mitte stehen markante Wirtshäuser, ein ehemaliges Amtshaus der Vogtei (hinter dem die Pfarrkirche herausragt) und Bauernhäuser. Gewachsene Idylle, mit der die Gemeinde Argenbühl, zu der das 1700-Einwohner-Dorf Eglofs zählt, gerne wirbt. Und da erhebt sich auch der denkmalgeschützte, prächtige Gasthof zum Löwen von Josef und Astrid Ellgass. Bis vor wenigen Jahren stand daneben ihr Wirtschaftsgebäude; das gibt’s nun nicht mehr. Ein Hotelneubau hat Tenne und Stall ersetzt. Was das Gesicht des Dorfplatzes gehörig veränderte.

    Die Familie Ellgass hat nämlich nicht das Erwartbare, Gewöhnliche getan und ein Gebäude in historisierender Gestaltung hingestellt, das sich brav ins Ensemble eingliedert hätte. Stattdessen wählte sie eine moderne, zeitgemäße Sprache für den Neubau. Das hat den Platz nicht beschädigt, sondern noch ein Quäntchen schöner, interessanter gemacht – und kann durchaus als Vorbild dienen für andere Dorfplätze im Allgäu, wo bisweilen Haarsträubendes gebaut wird.

    Das geht natürlich nicht ohne guten Architekten. Den fanden die Ellgass – eher durch Zufall – in Südtirol: Markus Tauber aus Brixen, der weit über seine Heimat hinaus planerisch unterwegs ist, entwarf den Hotelbau mit Foyer, Frühstücks- und Konferenzraum im Erdgeschoss und 29 Zimmern in den drei Obergeschossen. „An diesem Platz zu planen ist eine Ehre“, sagt er. „Und eine Herausforderung.“

    Neues zu schaffen heißt nicht, die Tradition dörflicher Baukultur zu vergessen oder die umgebenden Gebäude zu ignorieren. Aber wie ein zeitgemäßes Hotel bauen mit großen Fenstern, die viel Licht hereinlassen und Ausblicke bieten, und mit Balkonen – wenn es ringsum keinen Balkon gibt, und alle Fenster am Platz bauernhausartig klein sind?

    Architekt Tauber ließ sich einen Trick einfallen: Er umhüllte den Neubau mit einer zweiten Haut. Vor die großen Fenster und die Balkone setzte er eine gerasterte Fassade aus braunen Fichtenbrettern. Sie lassen das Dahinterliegende optisch fast verschwinden und erinnern zugleich an das traditionell holzverschalte Wirtschaftsgebäude, das vorher genau an dieser Stelle stand. So führte Tauber die funktionellen Anforderungen eines Hotels mit den ästhetischen Vorgaben des Platzes zusammen. Er hielt den ländlichen Bautypus bei, interpretierte ihn aber neu. Josef Ellgass, dessen Familie seit 1907 die „Hofwirtschaft“ im Herzen des Westallgäuer Dorfs betreibt, drückt das so aus: „Wir wollten modern sein, aber die bäuerlichen Wurzeln nicht verleugnen.“

    Durch diese Fassade und das komplett verglaste Erdgeschoss wirkt das „Ellgass Allgäu-Hotel“ luftig-leicht – obwohl das Gebäude, das natürlich das typische Satteldach besitzt, nach Angaben von Architekt Tauber gegenüber der Vorgänger-Kubatur leicht gewachsen ist. Es wirkt nun mächtiger als das eigentliche Haupthaus, mit dem es durch einen eingeschossigen Zwischenbau verbunden ist.

    Einwände gegen diese Planung hatten weder der Gemeinderat, der das Baugesuch 2015 bei nur einer Enthaltung durchwinkte, noch der Denkmalschutz, der das Projekt laut Josef Ellgass „in bestem Einvernehmen“ begleitete. Nun ehrt auch noch eine gewichtige Auszeichnung die Leistung des Architekten und den Mut der Bauherren: Sie erhielten den „German Design Award 2020“ in der Sparte Architektur. „Der neue Baukörper fügt sich formal in den vorhandenen Bestand ein“, heißt es in der Jury-Begründung. „Zugleich wirkt er mit seiner markanten Fassadenkonstruktion sehr modern und schafft sich eine eigene Identität mit hoher Wiedererkennbarkeit.“

    Wer so baut, erntet freilich auch Kritik, geäußert sowohl von Einheimischen als auch vereinzelt von Hotelgästen. Bürgermeister Roland Sauter versichert aber, dass inzwischen aus der Bevölkerung „breite Zustimmung“ komme. Josef Ellgass sagt: „Die Wunden sind verheilt. Der Zuspruch ist gewaltig.“

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