Herr Hornig, wie oft haben Sie Ihr großes, schweres Instrument schon verwünscht?
Hornig: Noch nie. Ich habe mit der Tuba das Hobby zum Beruf gemacht – das ist das Schönste, was es gibt.
Aber eine Tuba ist doch unhandlich und sperrig.
Hornig: Stimmt, wenn man das Ding bei der Marschmusik mitschleppen muss. Da hat man es mit der Querflöte ein bisschen leichter. Aber deswegen verwünscht man das Instrument nicht.
Wie viel wiegt es eigentlich?
Hornig: Zwischen neun und zwölf Kilo – je nach Modell. Es gibt ja verschiedene Größen, die von der kleinen Kindertuba bis zur großen Fünfviertel-B-Tuba, der Kaisertuba, reichen.
Wie sind Sie zu dem Instrument gekommen?
Hornig: Da war ich ungefähr 17 Jahre alt. Damals habe ich in unserer Trachtenkapelle in Westendorf Trompete gespielt. Mein Bruder, ein Tubist, wurde Dirigent, deswegen fehlte eine Tuba, und ich wollte das probieren. Mir hat immer gefallen, wenn er daheim übte. Das Instrument hat mich einfach angesprochen.
Haben Sie den Wechsel von der Trompete zur Tuba mal bereut?
Hornig: Nein, nie! Weil die Tuba ein so tolles Instrument ist. Es hat mir auf Anhieb riesigen Spaß gemacht, und ich hab gleich sehr viel geübt. Bald merkte ich: Das ist meine Erfüllung.
Was ist so toll an der Tuba?
Hornig: Die Tuba ist sehr abwechslungsreich. Man ist mit ihr für den Groove zuständig, für das Fundament, aber man kann auch melodiös in die Höhe hinaufspielen. Sie eignet sich für fast alle Stilistiken, von der Blasmusik über die Klassik bis zu Jazz und Funk. Man kann auch den E-Bass imitieren. Außerdem ist der Tonumfang riesig: Er umfasst vier Oktaven – das ist bei wenigen anderen Instrumenten möglich.
In der traditionellen Blasmusik ist der Einsatz aber eingeschränkt: Tubisten spielen ja nur die Grundtöne der Harmonien. Ist das nicht bald langweilig?
Hornig: Nein, das ist überhaupt nicht langweilig, wenn man sich beim Spielen bewusst ist, welche Funktion man hat. Wenn man als Tubist nicht den richtigen Rhythmus hat, kippt die ganze Mannschaft. Und man kann ja auch ein bisschen in die Pausen reinimprovisieren – aber das mag ich nicht so. Da bin ich ein gebranntes Kind.

Warum?
Hornig: Als ich das in unserer Blaskapelle getan habe, schimpfte mich mein Bruder, der Dirigent, und drohte: Wenn ich das weiterhin mache, komme er nach hinten, und dann scheppert’s. (lacht)
Eigentlich sollten Tubisten ja eine Allianz mit dem Dirigenten eingehen, damit der Rhythmus und das Tempo stimmen, oder?
Hornig: Genau. Gerade bei der traditionellen Blasmusik sind die Tuben gemeinsam mit dem Schlagzeug und den Posaunisten für den Rhythmus zuständig. Und wenn kein Dirigent dabei ist, sind Tubisten quasi die Taktgeber. Sie haben also eine tragende Funktion. Das ist wie beim Haus: Wenn das Fundament nicht stabil ist, bricht es zusammen.
Ist dies bei der Klassik und in der symphonischen Blasmusik anders?
Hornig: Je nachdem, was man spielt, kann’s interessant oder langweilig sein. In der Klassik geht’s manchmal richtig zur Sache. Aber oft haben Tubisten sehr lange Pausen. In Opern etwa sitzt man eine Viertelstunde lang rum, hat dann vier Töne zu spielen – und wartet wieder eine Viertelstunde. Das ist besonders anspruchsvoll und heikel, weil man von null auf hundert Prozent voll da sein muss. Das ist schwieriger, als die ganze Zeit über zu spielen wie in der traditionellen oder symphonischen Blasmusik.
Was meinen Sie mit „da geht’s richtig zur Sache“?
Hornig: Wenn wir Wagner-Opern oder Bruckner- und Mahlersymphonien spielen, muss man schon mal richtig Gas geben und laut spielen. Das Heikle daran: Weil man oft der einzige Tubist im Orchester ist, sitzt man auf dem Präsentierteller. Und der geforderte Perfektionismus macht’s zusätzlich schwierig: Man muss immer perfekt spielen. Fehler werden nicht geduldet.

Stresst Sie dies?
Hornig: Das kann ein wahnsinniger Stress sein. Als ich von der Trompete zur Tuba wechselte, habe ich mir alles selbst beigebracht und dabei einen falschen Ansatz angelernt. Wenn ich eine heikle Stelle spielen musste, bekam ich schon drei Minuten davor Herzrasen. Weil ich nicht wusste, ob ich’s schaffe. Mit einem neuen Professor habe ich dann noch einmal von ganz vorn angefangen – wie ein Schüler. Das hat mir das Leben gerettet.
Früher hieß es, Mädchen und Frauen seien zu schwach für die Tuba, weil viel Luft benötigt werde. Wie denkt man heute darüber?
Hornig: Das Geschlecht ist zweitrangig. Ich habe im Musikunterricht immer Mädchen und Frauen. Derzeit ist sogar eine ganz zierliche dabei – und die spielt super.
Empfiehlt es sich, erst mit einem anderen Instrument anzufangen und dann auf Tuba zu wechseln – wie Sie es auch getan haben?
Hornig: Das würde ich nicht tun. Wenn jemand Tuba lernen möchte, sollte man gleich damit anfangen. Früher war das nicht möglich, weil es nur große Tuben gab. Heute bieten die Hersteller auch kleine Tuben für Kinder an. Man kann mit acht, neun Jahren beginnen, ohne sich verrenken zu müssen.
Man braucht also nicht besonders große Lungen?
Hornig: Nein. Ob man eine Tuba oder eine Trompete spielt, ist völlig egal.
Was kostet eine Tuba?
Hornig: Eine gute B-Tuba beginnt bei 8000 Euro. Es gibt aber auch billigere Instrumente aus Fernost.
Ist die Tuba immer noch ein sogenanntes Mangelinstrument in der Blasmusik?
Hornig: Nein, nicht mehr. Die Tuba hat in den letzten zehn Jahren einen unglaublichen Hype erfahren, auch durch kleine Blasmusik-Formationen wie Berthold Schicks Allgäu 6 oder eine Band wie La Brass Banda. Man hat dadurch gehört, wie das Instrument klingt und was es alles kann. Als ich an der Musikschule Kaufbeuren begann, hatte ich auf einen Schlag zehn Mädchen und Buben, die das Instrument lernen wollten. Inzwischen ist es cool, Tuba zu spielen. Und wenn man ein Mädel ist, ist es noch cooler.
Tuba-Virtuose Herbert Hornig: Von der Trachtenkapelle zum Rundfunkorchester
- Herbert Hornig, 48, gilt als Allgäuer Virtuose auf der Tuba. Dabei kam er relativ spät zu „seinem“ Instrument: Erst mit 17 wechselte er von der Trompete auf die Tuba. Das war in der Trachtenkapelle Westendorf, wo er auch heute noch mitspielt. In dem Ostallgäuer Dorf lebt er auch.
- Nach dem Abitur war er zwei Jahre beim Luftwaffen-Musikkorps Neubiberg. Mit 21 begann er sein Studium an der Musikhochschule München.
- Während des Studiums sammelte er Erfahrungen bei Sinfonieorchestern (Münchner Symphoniker ...) und bei Blaskapellen (etwa mit den „Obermüller Musikanten“ im Münchner Hofbräuhaus).
- In den 2000er Jahren war Hornig beim ersten Füssener Ludwig-Musical dabei – erst als Tubist, dann als Dirigent.
- Herbert Hornig bewarb sich bei den berühmten Wiener Philharmonikern und durfte sogar – als einziger Deutscher – zur Probe spielen; allerdings kam er nicht zum Zug.
- Erst mit 35, im Jahr 2010, bekam er beim Polizeiorchester Bayern seine erste feste Stelle. Parallel dazu ist er im Münchner Rundfunkorchester „ständiger Gasttubist“, was bedeutet, dass er immer dann mitspielt, wenn eine Tuba benötigt wird.
- Daneben ist Hornig als freier Musiker bei Formationen wie Berthold Schicks Allgäu 6 und der Unterbiberger Hofmusik dabei. In der Kaufbeurer Musikschule unterrichtet er Tuba.
- Seit einem Jahr ist er Dirigent beim Musikverein Stöttwang (Ostallgäu).
- Hornig komponiert auch und ist ab und zu mit dem musikalischen Einpersonen-Theater „Die traurige Flöte“ unterwegs.