Der Sündenfall hat vor mehr als 100 Jahren begonnen: Als die Menschen ab dem 19. Jahrhundert damit begannen, die Iller zu begradigen und zu kanalisieren, auch um Land zu gewinnen und als Schutz vor Überschwemmungen. Der Fluss wurde – wie die meisten anderen auch – gebändigt und „verheerend zugerichtet“, wie sich Toni Schuwerk vom Kemptener Wasserwirtschaftsamt ausdrückt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Davon überzeugten sich gestern bei einem Ortstermin Mitglieder des Fischereiverbands Schwaben, die sich in Immenstadt-Stein zum traditionellen Fischessen in der Fastenzeit trafen. „Das ist eine spannende Sache, die hier passiert ist“, sagt Wasserwirtschaftler Schuwerk. Ein erstes einschneidendes Ereignis war das Pfingsthochwasser 1999 nach sintflutartigen Regenfällen vor Pfingsten. Es folgten weitere Fluten 2002 und vor allem im Sommer 2005.
Mit einem Finanzvolumen von über 100 Millionen Euro war die Hochwasserschutz-Baustelle an der Oberen Iller nördlich von Immenstadt das größte Projekt dieser Art in Bayern. Und hier entstand der erste Hochwasser-Polder, mit dem bei Bedarf bis zu sechs Millionen Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden können. Dr. Albert Göttle, Präsident des Landesfischereiverbands Bayern, erinnerte daran, dass der vierspurige Ausbau der B 19 seinerzeit in das Gesamtprojekt integriert worden sei.
Trotz aller technischen Problemstellungen habe man aber auch „die reichhaltige Gewässerstruktur immer im Auge gehabt“. Das sagte Hans- Joachim Weirather, Unterallgäuer Landrat und von 2002 bis 2006 Chef des Kemptener Wasserwirtschaftsamtes. Gestern war er aber in erster Linie als Präsident des Fischereiverbands Schwaben nach Immenstadt gekommen. Weil die Iller in diesem Bereich ökologisch ausgebaut, ausgeweitet und somit renaturiert worden ist, leben hier nun immer mehr Fischarten, die fast schon verschwunden schienen.
Das belegen Untersuchungen, die hier jährlich durchgeführt werden. Immerhin habe es mehr als zehn Jahre gedauert, bis man wieder von einem guten Fischbestand sprechen könne, sagte Dr. Oliver Born von der Fischereifachberatung des Bezirks Schwaben. Nun seien beispielsweise Nasen, Barben und Hasel hier wieder zu finden. So richtig befriedigend sei die Situation aber immer noch nicht: Man dürfe nicht glauben, dass das, was in mehr als 100 Jahren passiert sei, in ein paar Jahren kompensiert werden könne. Zudem gibt es für Fische, die vom mittleren Flussabschnitt der Iller nach Süden wandern, immer noch ein Problem in Kempten. Ein Querbauwerk an einem Wasserkraftwerk versperrt den Tieren den weiteren Weg flussaufwärts. Eine Besserung sei hier aber in Sicht. Fische müssen in einem Gewässer wandern können, um zu ihren Laichplätzen zu kommen. Sie brauchen eine reich strukturierte Flusslandschaft mit Kiesbänken und Flachstellen. Eine solche Strukturvielfalt sei an allen Gewässern wünschenswert. sagte Oliver Born.
Nach wie vor ungeklärt ist das Bachforellensterben in der Iller und in anderen Flüssen, die von Süden (aus den Alpen) in die Donau fließen. Jedes Jahr gehen Bachforellen Ende September/Anfang Oktober auch in der Iller ein, ohne dass ein Grund dafür ersichtlich ist. 2018 war von einem Erklärungsansatz die Rede. Forscher der TU München hatten vermeldet, sie hätten ein auslösendes Virus gefunden. Experimente mit Fischen in Aquarien – auch im Allgäu – widerlegten diese Theorie. „Wir kennen den Grund bis heute nicht“, sagt Fischexperte Born.