Ein Hobby-Vogelsichter hat vor einigen Tagen im nordöstlichen Landkreis Lindau einen Gänsegeier auf einem Baum sitzen sehen. Das teilt der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) am Mittwoch mit. Seitdem häufen sich die Sichtungen des Geiers im Allgäuer Raum. Laut LBV-Experten eine äußerst seltene Sichtung - vor allem um diese Jahreszeit.
"In den letzten Jahren konnten wir immer wieder Einflüge von Gänsegeier-Trupps in Bayern beobachten. Im Allgäu wurde beispielsweise im Juli 2021 ein einzelner Gänsegeier beobachtet. Dass nun im Winter einer dieser Vögel gesichtet wurde, ist auch für uns überraschend und durchaus etwas Besonderes", sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.
Gänsegeier im Allgäu: Aasfresser völlig ungefährlich
Die aasfressenden Gänsegeier sind völlig ungefährlich und kommen normalerweise in wärmeren Gebieten südlich der Alpen, etwa in Südwesteuropa und Nordafrika vor. Während der Sommermonate halten sich aber vor allem Jungvögel auch gerne fernab ihrer Brutgebiete zum Beispiel in den österreichischen Hohen Tauern auf.
In den letzten Jahren häufen sich in Bayern die Einflüge von Gänsegeiern, die meist in Trupps unterwegs sind. Waren es im Jahr 2018 noch 13 Beobachtungen, sind es in diesem Jahr schon 26. Der Klimawandel spielt nach Einschätzungen der LBV-Geier-Experten bei den steigenden Gänsegeier-Einflügen jedoch noch keine Rolle. Auch ein angrenzendes Verbreitungsgebiet gibt es nicht.
Grund für den Gänsegeier im Allgäu könnte in Frankreich liegen
"Der Allgäuer Winter-Geier trägt keine sichtbare Markierung. Das lässt darauf schließen, dass es sich um einen wildgeschlüpften Vogel handelt. Denkbar wäre eine Herkunft aus Spanien, wo über 90 Prozent der europäischen Gänsegeierpopulation leben. Aber auch Wiederansiedlungsprojekte in Frankreich tragen zu gelegentlichen Einflügen von Gänsegeiern im nördlichen Mitteleuropa bei", erklärt LBV-Geier-Experte David Schuhwerk.
Kälte in Bayern macht Gänsegeier zu schaffen - Aas hier schwer zu finden
Der derzeit kalte bayerische Winter kann für den Gänsegeier im nordöstlichen Landkreis Lindau zu einem Problem werden, da er an die vorherrschenden Bedingungen nicht angepasst ist. "Die mangelnde Thermik, die aufgrund der kalten Temperaturen derzeit in Bayern herrscht, erschwert es dem Gänsegeier in wärmere Gebiete zu fliegen. Außerdem benötigt er zum Überleben Energie, die er nur durch ausreichend Nahrung gewinnen kann. Aas ist für ihn in den besiedelten Gebieten Bayerns jedoch schwer zu finden, da tote Wild- und Nutztiere in der Regel schnellstmöglich entfernt werden", so Schuhwerk.
Auf der Suche nach Nahrung scannen Gänsegeier den Boden aus der Luft mit ihren Augen nach Kadavern ab. Liegen diese versteckt im Wald, bleiben sie von den Geiern unentdeckt, so der LBV.
Der LBV warnt: Geier könnte den Winter nicht überleben - Hinweise an das Naturtelefon
Auch wenn Gänsegeier laut LBV auf Vorrat fressen und anschließend bis zu vier Wochen ohne Nahrung auskommen können, sollte sich der Vogel nicht zu lange im Landkreis Lindau aufhalten. Deshalb bitten die Vogelschützer Naturfreunde, die in der Region einen geschwächten Gänsegeier beobachten, diesen über das LBV-Naturtelefon unter der Telefonnummer 09174/4775-5000 zu melden.
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