Auch Lisa Brennauer zittert. Hofft und bangt, dass ab 23. Juli in Japans Hauptstadt Tokio die Olympischen Spiele Tokio eröffnet werden können. Die weltweite Pandemie lässt verlässliche Aussagen zu einer reibungslosen Veranstaltung oder einer endgültigen Absage der ohnehin schon verschobenen Spiele 2020 nicht zu. Wie alle potenziellen Olympia-Teilnehmer will auch die 33-jährige Duracherin die immer wiederkehrenden Diskussionen nicht an sich heranlassen. „Cool, unbeirrt und fleißig weitertrainieren“, lautet folglich auch ihr Motto – 92 Tage Vorbereitung bleiben noch. Es sind vielleicht die Tage, die darüber entscheiden, ob eine ohnehin schon große Karriere noch das Sahnehäubchen bekommen könnte.
Obwohl die Olympia-Teilnehmer erst im Mai vom Deutschen Olympischen Sportbund offiziell nominiert werden, gibt es kaum Zweifel, dass Lisa Brennauer sowohl für die Straßen-, als auch für die Bahnrennen in Tokio das deutsche Trikot tragen wird.
2012 in London und 2016 in Rio jeweils Achte
Für Brennauer wären es bereits die dritten Olympischen Spiele – nach London 2012, wo sie mit zarten 21 Jahren mit dem deutschen Bahn-Vierer Achte wurde, und Rio 2016, wo sie als Mitfavoritin ins Straßen-Einzelzeitfahren ging, sich am Ende aber wieder mit Rang acht begnügen musste. Trotz der Enttäuschung in Brasilien sagt Brennauer: „Ich habe tolle Erinnerungen an die vergangenen Spiele. Es war großartig, Teil der deutschen Mannschaft gewesen zu sein.“
In einem Interview auf der Internetseite des Bunds Deutscher Radfahrer meinte sie auch: „Von Olympia träumt doch jeder Sportler.“ In London sei sie aufgeregter gewesen als in Rio, „weil ich nicht wusste, was mich erwartet.“ Auch die Spiele 2016 blieben unvergessen: „Ich weiß noch genau, dass ich Gänsehaut hatte, als ich zum Start rollte, begleitet von meiner Familie, die in Rio dabei war. Das war nicht aus Nervosität, sondern mich hat das Gefühl überwältigt, es geschafft zu haben, beim Olympischen Straßenrennen starten zu dürfen.“
Bei der Flandern-Rundfahrt nur knapp am Sieg vorbei
Ähnlich wird es ihr in Tokio ergehen, denn auch für eine so erfahrene Athletin wie Brennauer sind Olympische Spiele das Highlight der Karriere. Darum sitzt die Allgäuerin auch Tag für Tag auf dem Rennrad und trainiert fleißig. Und sie konnte in der noch jungen Saison bereits beachtliche Resultate einfahren. Bei der Flandern-Rundfahrt in Belgien verpasste sie vor Kurzem als Zweite nur knapp den Sieg.
Und nach dem Erfolg der Bahn-WM in Berlin, wo Brennauer mit dem Vierer Bronze und in der Einerverfolgung Silber gewann, ist sie noch motivierter. „Berlin hat gezeigt, dass eine Medaille auf der Bahn für uns greifbar ist. Das bedeutet viel,“ sagt sie und will in Tokio alles dafür geben, um den Traum vom Olympischen Edelmetall zu verwirklichen. Aber auch für die Straße ist Brennauer hoch ambitioniert. „Ich werde mich sehr konzentriert vorbereiten und zeigen, was ich drauf habe“, verspricht sie.
Größter Triumph: Weltmeisterin im Einzelzeitfahren 2014
Lisa Brennauer, fast ein Jahrzehnt lang konstant in der Weltspitze, ist nach Judith Arndt die erfolgreichste deutsche Rennfahrerin, die sowohl auf der Straße als auch auf der Bahn international zu den Besten gehört. Dreimal war die Weltmeisterin im Mannschaftszeitfahren auf der Straße, 2019 Vize-Welt- und Europameisterin im Teamzeitfahren der Nationalmannschaften. Ihren größten Triumph feierte sie 2014 als Weltmeisterin im Einzelzeitfahren auf der Straße im spanischen Ponferrada. Bei der gleichen WM gewann sie auch noch Silber im Einzelrennen auf der Straße, und fügte ihrer Medaillensammlung 2015 in Richmond in den USA noch eine Bronzemedaille hinzu.
Bei der EM in Glasgow wurde sie Europameisterin in der Einerverfolgung und Zweite mit der Mannschaft, um wenige Tage später zu EM-Bronze im Straßenrennen zu sausen. Diese Doppelbelastung schaffen nicht viele, Brennauer scheint sie mühelos wegzustecken. Auch in Tokio wird sie sowohl auf der Straße als auch auf der Bahn starten. „Dafür häng’ ich mich voll rein“, sagt die Allgäuerin, die bei Welt- und Europameisterschaften bislang zwölf Medaillen gewann.
Bundestrainer Korff: "Mit Lisas Rückkehr auf die Bahn kehrte der Erfolg zurück"
Bei all ihren Erfolgen ist Brennauer bodenständig und empathisch geblieben, attestiert ihr Bundestrainer André Korff. Sie sei gradlinig, ehrlich und mit ihren 33 Jahren so etwas wie die „Mutter der Kompanie“. „Mit Lisas Rückkehr auf die Bahn kehrte der Erfolg zurück,“ sagt Korff. In Tokio soll zu den zwölf WM-und EM-Medaillen eine Olympische hinzukommen. Für Lisa Brennauer wäre das die Krönung ihrer Karriere.
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