Das Cover von Berthold Bücheles neuem Buch über den „Wert und Verfall der Allgäuer Mundarten“ zeigt ziemlich deutlich, wie der Autor aus Ratzenried (württembergisches Allgäu) den Zustand des Dialekts einschätzt. Ein stattlicher alter Feldstadel ist zu sehen. Allerdings sind die meisten Bretter der Holzfassade kaputt, viele fehlen. Das Gebäude ist löchrig geworden. Und ähnlich lautet Bücheles Urteil: Der Verfall der Mundart schreite unaufhaltsam voran. Die alemannische Mundart sei im württembergischen Allgäu schon fast ausgestorben, im bayerischen Allgäu auf dem Rückzug. „Über kurz oder lang ist auch der schwäbische Dialekt gefährdet.“
Berthold Büchele hat tausende Mundart-Ausdrücke gesammelt
Berthold Büchele, 76, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Heimatforschung. Unter anderem zeigt er in seinem Buch, das typografisch-gestalterisch sichtlich im Eigenverlag entstanden ist, mit vielen Beispielen, wie reichhaltig die Allgäuer Dialekte waren und sind. So hat er viele Redensarten und Tausende von Wörtern gesammelt. Außerdem untersucht er die Ursachen des Verfalls der Mundart. Zwar nimmt Büchele nur seine eigene Gegend, das Westallgäu diesseits und jenseits der Landesgrenze in den Blick.
Kenntnisreiche Streifzüge durch das Allgäu und seine Dialekte
Die Erkenntnisse aber, erklärt er, „lassen sich auf das gesamte Allgäu anwenden, wo ja beide Mundarten mit vielen Varianten (noch) existieren“. Denn grob gesagt gibt es einen schwäbischen Dialekt im östlichen und nördlichen Allgäu (mit Kempten, Kaufbeuren, Memmingen) sowie einen alemannischen Dialekt im südlichen Oberallgäu und im Westallgäu. Büchele unternimmt detail- und kenntnisreiche Streifzüge durch die Geschichte unseres Kulturraums. Quellen sind Urkunden und anderes schriftliches Material, Lieder, Gedichte sowie – seit dem 19. Jahrhundert – Berichte von Lehrern zur Mundart ihrer Ortschaften und – seit Mitte des 20. Jahrhunderts – Tonaufnahmen.
Bücheles Ekenntnis: Man muss den Dialekt pflegen, um ihn zu erhalten
Bücheles Fazit lautet: Während mancherorts besondere, vom Aussterben bedrohte Dialekte zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt werden, sei vielen nicht bewusst, dass auch die heimatlichen Mundarten vom Aussterben bedrohte Sprachen sind. Er weist auf Möglichkeiten hin, wie man den weiteren Verfall aufhalten könnte. So müsste man in Familie, Schule und Gesellschaft sowie in Veröffentlichungen den Dialekt pflegen. „Hochdeutsch und Dialekt sollten als zwei gleichwertige Sprachen betrachtet werden“, fordert Büchele. Bei den Nachbarn in Vorarlberg und in der Schweiz sei der Dialekt ja auch lebendig – er gehöre ganz selbstverständlich zur Regionalkultur.
Berthold Büchele: Lieb Heimatland ade. Vom Wert und Verfall der Allgäuer Mundarten. Verlag: Verein zur Pflege von Heimat und Brauchtum Ratzenried. 200 Seiten; 20 Euro. Erhältlich in Buchhandlungen sowie online beim Verlag auf ratzenried.de