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Heumilch im Allgäu und in Bayern: gts Gütesiegel, Allgäuer Hofmilch, Käse, Joghurt, Butter, Produkte - Fragen und Antworten

Heumilch im Allgäu

Das müssen Sie zu Heumilch wissen

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    Butter, Milch und Käse aus Heumilch gewinnen an Bedeutung.
    Butter, Milch und Käse aus Heumilch gewinnen an Bedeutung. Foto: Martin Schmid

    In jüngster Vergangenheit kommen immer mehr Produkte, die den Namen Heumilch führen, auf den Markt. Erst vor kurzem verkündete die Kemptener Supermarktkette Feneberg eine Kooperation mit der Allgäuer Hof-Milch GmbH mit Sitz in Sonthofen im Bereich von Heumilch. Dabei ist Heumilch eigentlich etwas altes Neues. Vor 100 Jahren gab es noch keine Silage und jedes Tier im Allgäu, ob Kuh, Schaf, Ziege oder Pferd, musste im Sommer Gras auf der Weide und im Winter Heu fressen. Doch was ist Heumilch genau? Ist sie besser als konventionelle Milch? Und wie viele Betriebe in Bayern und im Allgäu machen Heumilch? Diese und weitere Fragen beantworten drei Experten.

    Was ist Heumilch?

    • Heumilch ist Milch von Tieren, die keine vergorenen Futtermittel fressen dürfen. Dazu gehören Grassilage, Maissilage oder Biertreber - ein Abfallprodukt aus Brauereien.
    • Die Tiere fressen im Sommer überwiegend frisches Gras und im Winter das aus dem Gras des Sommers getrocknete Heu.
    • Das bedeutet nicht, dass die Tiere ausschließlich Heu fressen. Der zusätzliche Einsatz von Kraftfutter, beispielsweise aus Weizen oder Gerste, ist erlaubt, aber laut EU-Verordnung für Heumilch auf einen Anteil von 25 Prozent begrenzt.
    • Heumilch muss laut EU-Verordnung gentechnikfrei sein.

    Wozu braucht man Heumilch?

    • Wer Käse aus Rohmilch herstellen will, braucht in der Regel Heumilch. Rohmilch ist, wie der Name sagt, roh - also nicht abgekocht oder pasteurisiert. "Jede Milch enthält Mikroorganismen. Unerwünscht bei Rohmilchkäse sind dabei sogenannte Lysterien und Clostridien", sagt Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler, die sich an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mit Tierproduktionssystemen in der ökologischen Landwirtschaft beschäftigt. "In feuchtem Gärfutter wie Silage ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Clostridien und Lysterien vorhanden sind, die dann auch in der Milch landen".
    • Gerade traditionelle Hartkäsesorten, die aus Rohmilch hergstellt werden und länger reifen müssen, misslingen, wenn die Milch schlechte Mikroorganismen enthält, sagen Experten. Daher braucht es hier Heumilch.
    Mathias Lingg aus dem Weiler Kargen bei Kempten produziert seit einem Jahr Bio-Heumilch für die Allgäu Milch Käse e.G. in Kimratshofen. "Ich möchte nicht mehr zurück", sagt er. "Das ist schon schöner so." Den Kühen scheint es zu schmecken.
    Mathias Lingg aus dem Weiler Kargen bei Kempten produziert seit einem Jahr Bio-Heumilch für die Allgäu Milch Käse e.G. in Kimratshofen. "Ich möchte nicht mehr zurück", sagt er. "Das ist schon schöner so." Den Kühen scheint es zu schmecken. Foto: Martin Schmid

    (Lesen Sie auch: Heumilch, H-Milch, Weidemilch und Haferdrink: Was ist der Unterschied?)

    Was macht Heumilch noch aus?

    • "Heumilch schmeckt anders, zumindest, solange sie roh ist", sagt Stefan Thurner von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising.
    • "Roh-Heumilch ist bekömmlicher und ungefährlicher für ältere Menschen und Kinder, die empfindlich auf Lysterien und Clostridien reagieren können", sagt Eva Zeiler.
    • "Heumilch hat eine andere Zusammensetzung, weil Heu in der Kuh anders verstoffwechselt wird als herkömmliche Rationen mit Silage", ergänzt sie. Heumilch habe dadurch beispielsweise tendenziell einen höheren natürlichen Fettgehalt.

    EU-Gütesiegel g.t.S.: Darf jeder Heumilch produzieren und verkaufen?

    Seit 2016 ist Heumilch eine EU-weit geschützte Bezeichnung. Wer Heumilch offiziell unter diesem Namen herstellen und verkaufen will, muss eine entsprechende

    EU-Verordnung

    einhalten und kann dann seine Produkte mit dem blau-gelben EU-Gütesiegel „Garantiert Traditionelle Spezialität“ (g.t.S.) vermarkten.

    Wer in der Europäischen Union Heumilch unter diesem Namen produzieren und verkaufen will, muss sich für das Siegel "Garantiert Traditionelle Spezialität" zertifizieren lassen.
    Wer in der Europäischen Union Heumilch unter diesem Namen produzieren und verkaufen will, muss sich für das Siegel "Garantiert Traditionelle Spezialität" zertifizieren lassen. Foto: Martin Schmid

    Ist die Produktion von Heumilch regionaler beziehungsweise nachhaltiger in Bezug auf Kraftfuttereinsatz?

    • Tatsächlich ist bei Heumilch, die nach EU-Verordnung produziert wird, nicht festgelegt, wo das Futter herkommen muss. Aber der Einsatz von Kraftfutter ist auf 25 Prozent beschränkt. "Man kann zumindest davon ausgehen, dass der berüchtigte Soja aus Brasilien in Heumilchbetrieben fast keine Rolle spielt", sagt Stefan Thurner. "Bei Heufütterung braucht man in der Regel keine zusätzlichen Eiweislieferanten mehr, wie Soja. Und dass jemand sein Heu aus Brasilien bezieht, ist unwahrscheinlich."
    • Markus Fischer ist Vorsitzender der "Arge-Heumilch-Deutschland e.V.". Er sagt: "Was unsere Mitgliedsbetriebe betrifft, ist der Einsatz von Futtermitteln aus Überseeregionen verboten. Unser Heumilchregulativ ist noch etwas strenger als die EU-Verordnung. Das ist vergleichbar mit Bio-Produkten, die entweder nur das EU-Siegel tragen oder zusätzlich das eines Anbauverbandes wie Bioland aus Deutschland."
    • Beispielweise verpflichten sich Heumilchbetriebe in Deutschland und Österreich, die Mitglied bei der "Arge" sind, ihre Tiere auf die Weide zu lassen, sofern sie keinen Laufstall bieten können.
    • Trotz aller Möglichkeiten zwingt Heumilch-Wirtschaft zu einer weniger intensiven Wirtschaftsweise. "Eine Kuh, die überwiegend Heu frisst, kann nicht so viel leisten, wie eine Kuh, die täglich eine Energiemischung aus Silage, Stroh und anderen Komponenten bekommt", sagt Eva Zeiler. "Man bekommt mit Heu einfach nicht so viel Energie in eine Kuh."

    Was bedeutet Heumilch-Wirtschaft für die Kuh?

    Eva Zeiler von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf erklärt: "Als Tierärztin sehe ich, dass es den Tieren mit Heufütterung gut geht. Wenn eine Kuh die Wahl hat zwischen Heu und Silage, frisst sie zuerst das Heu. Heu ist einfach ein wiederkäuer-gerechtes Futter."

    Silage ist auch im Allgäu das gängige Winterfutter für Milchkühe. Auf Heumilchbetrieben hat Silage keinen Platz.
    Silage ist auch im Allgäu das gängige Winterfutter für Milchkühe. Auf Heumilchbetrieben hat Silage keinen Platz. Foto: Martin Schmid

    Was bedeutet Heuwirtschaft für den Landwirt?

    • Für den Landwirt ist Heuwirtschaft aufwendiger - arbeitswirtschaftlich und finanziell gesehen.
    • Das liegt zum einen am größeren Wetterrisiko. "Wer vernünftig Heu machen möchte, braucht drei, besser vier Tage stabiles Wetter hintereinander. Das wird durch den Klimawandel schwieriger", sagt Eva Zeiler.
    • Zum anderen muss Heu länger auf dem Feld trocknen als Silage und öfter gewendet werden. Stefan Thurner von der LfL kann das in Zahlen fassen. "Der stündliche Arbeitsaufwand pro Hektar geernteter Fläche ist mehr als doppelt so groß", sagt er.
    • Dazu kommt, dass Landwirte, die Heumilch produzieren, nicht gut ohne eine Heutrocknungsanlage am Hof auskommen. Das bedeutet, dass das Heu auf dem Feld nur zu etwa 80 Prozent getrocknet wird und der Rest in der Trocknungsanlage auf dem Hof geschieht. Das steigert die Qualität des Heus. Solche Anlagen sind allerdings sehr teuer und energieintensiv.
    Ca. 3.000 Kubikmeter Heu finden Platz im neuen Heulager von Mathias Lingg.
    Ca. 3.000 Kubikmeter Heu finden Platz im neuen Heulager von Mathias Lingg. Foto: Martin Schmid

    Wie viele Betriebe in Bayern und im Allgäu machen Heumilch?

    • In Bayern gibt es laut Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) rund 600 Höfe, die Heumilch von Kühen, Schafen oder Ziegen produzieren. Die meisten davon befinden sich im Allgäu.
    • Die Vermarktungsinitiative "Arge-Heumilch Deutschland e.V" mit Sitz im Ostallgäuer Eggenthal zählt etwa 320 Mitgliedsbetriebe im Bereich der vier Allgäuer Landkreise zusammen mit den drei kreisfreien Städten Memmingen, Kaufbeuren und Kempten. Dazu kommen 13 Molkereien, die Mitglied in der "Arge"-Heumilch sind und Allgäuer Milch verarbeiten.

    Die Experten:

    • Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler: Die Östereicherin ist Tierärztin und Agraringenieurin. An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ist sie Inhaberin der Professur für Tierproduktionssysteme in der ökologischen Landwirtschaft. Ihre Eltern betreiben selbst einen Milchviehbetrieb auf Heubasis.
    • Stefan Thurner: Der Diplom-Ingenieur ist Leiter der Arbeitsgruppe Verfahrenstechnik Grünland und Futterkonservierung am Institut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising.
    • Markus Fischer: Er ist Bio-Heumilchbauer in der Ostallgäuer Gemeinde Eggenthal und Vorsitzender der "Arge-Heumilch Deutschland e.V". Dieser Verein bündelt die Interessen der Heumilchbauern und -verarbeiter in Deutschland. Zusammen mit der Arge-Heumilch Österreich setzt sich der Verband für das Marketing rund um Heumilch ein. Zudem verpflichten die beiden Verbände ihre Mitglieder zur Einhaltung des Heumilchregulativs, das strenger ausfällt als EU-Vorgaben und setzen sich politisch für die finanzielle und ideelle Förderung von Heuwirtschaft und Heumilchprodukten ein.

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