Digitalisierung im Gesundheitswesen

Warum es das E-Rezept wohl erst im nächsten Jahr im Oberallgäu gibt

Ab September müssen Apotheken E-Rezepte annehmen können. Die Umstellung vom rosafarbenen Papierrezept kann in Kempten und im Oberallgäu allerdings noch dauern.

Ab September müssen Apotheken E-Rezepte annehmen können. Die Umstellung vom rosafarbenen Papierrezept kann in Kempten und im Oberallgäu allerdings noch dauern.

Bild: Martina Diemand (Archiv)

Ab September müssen Apotheken E-Rezepte annehmen können. Die Umstellung vom rosafarbenen Papierrezept kann in Kempten und im Oberallgäu allerdings noch dauern.

Bild: Martina Diemand (Archiv)

Ab September müssen Apotheken das E-Rezept annehmen können. Bis es im Oberallgäu und Kempten zum Einsatz kommt, dauert es aber noch. Woran das liegt.
01.09.2022 | Stand: 05:30 Uhr

Schon lange will die Bundesregierung die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben und es anderen europäischen Ländern gleichtun. Doch wie so oft hakt es. Nun auch wieder bei der Einführung des elektronischen Rezeptes (E-Rezept). Bereits im Januar hätten Bürger das digitale Angebot wahrnehmen sollen, doch das scheiterte. Nun sollte im September in Schleswig-Holstein und der Region Westfalen-Lippe (Nordrhein-Westfalen) die Testphase beginnen, doch auch das scheiterte – diesmal an Datenschutzbedenken der dortigen Kassenärztlichen Vereinigung.

Apotheker und Ärzte aus dem Oberallgäu und Kempten rechnen nicht so bald mit einer Umstellung. „Dennoch sind wir gespannt auf unser erstes E-Rezept“, sagt Arndt Botzenhardt, Apotheken-Sprecher fürs Oberallgäu. Er leitet die Apotheke im Gesundheitszentrum in Immenstadt und hat bislang erst ein E-Rezept von einem befreundeten Zahnarzt sowie ein Dummy-Rezept zum Testen bekommen. Ab September müssen Botzenhardt und die anderen Apotheker in der Region E-Rezepte annehmen können. Das sei jedenfalls möglich, sagt er. Das Personal sei geschult, die Technik einsatzbereit. „Dennoch wäre eine Übungsplattform wünschenswert gewesen, auf der die Abläufe zuvor hätten durchgespielt werden können“, sagt Botzenhardt. Die Apotheker werden demnach ins kalte Wasser geworfen: „Es wird viel learning by doing, aber wir bekommen das hin.“

E-Rezept im Oberallgäu: Viele Vorteile, aber auch Nachteile

Das E-Rezept wird die Zukunft sein, da ist sich der Apotheker sicher, denn es bringe einige Vorteile mit sich. Sollten etwa in einer Apotheke nicht alle Medikamente vorrätig sein, die auf dem Rezept stehen, können Patienten ihr Rezept aufteilen. So müssten sie nicht wie bisher bei einer einzigen Apotheke alle Medikamente holen und in manchen Fällen lange warten bis es wieder vorrätig ist, sondern können es sich nun bei einer anderen Apotheke besorgen.

Des Weiteren soll das E-Rezept die administrativen Vorgänge automatisieren und beschleunigen. Papier wird eingespart und Übertragungsfehler – schlecht lesbare Handschrift oder fehlende Unterschrift auf dem Papier – nehmen ab. Botzenhardt fürchtet aber, dass zugleich mehr Arzneimittel in den Versand und ins Ausland gehen. „Es darf nicht passieren, dass wir nur noch für Notfälle da sind“, warnt der Apotheker. (Lesen Sie auch: Apothekerin aus dem Allgäu soll Rezepte für eine halbe Million Euro gefälscht haben)

Bei den ersten E-Rezepten hofft er auf die Geduld seiner Kundinnen und Kunden. „Am Anfang kann es noch ein paar Minuten länger dauern, doch gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln.“ Stand jetzt ist vorgesehen, dass das rosafarbene Rezept ab Februar 2023 passé ist. Doch diese Umstellung wird nicht von heute auf morgen vollzogen, sondern soll ein fließender Prozess werden. „Vor allem ältere Menschen sind verängstigt, dass sie ihre Medikamente dann nicht mehr bekommen“, schildert Botzenhardt seine Eindrücke. „Doch es wird auch weiterhin ein Papierrezept geben.“ Dieses sei dann nicht mehr rosa, sondern weiß mit einem entsprechenden QR-Code.

Noch nicht verpflichtet, E-Rezepte auszustellen: Oberallgäuer Arztpraxen können noch durchschnaufen

Die Arztpraxen im Oberallgäu können derweil noch durchschnaufen, sie sind noch nicht verpflichtet, E-Rezepte auszustellen. Das sei auch noch überhaupt nicht möglich, sagt Lutz Menthel, Vorsitzender des Hausarzt-Vereins Kempten. „In den vergangenen Monaten hat sich nichts weiter verändert. Es funktioniert einfach nicht“, sagt Menthel. Der Arzt meint damit das bundesweit genutzte System Telematik. Dieses sei nicht alltagstauglich und die Technik müsse noch deutlich verbessert werden, damit das E-Rezept ausgestellt werden könne.

Auch Arztpraxen aus Oberstdorf und Sonthofen melden Probleme mit der Software. Die Praxen, die allerdings anonym bleiben wollen, seien noch lange nicht in der Lage, E-Rezepte auszustellen. Die technischen Voraussetzungen, wie etwa Lesegeräte, seien zwar schon vor Ort, das System funktioniere aber nicht. Man rechne damit, dass erst im Frühjahr etwas vorangeht. (Lesen Sie auch: Lieferengpässe in Apotheken: „Die Lage verschärft sich zunehmend“)

Bislang seien auch kaum Anfragen von Patientinnen und Patienten nach E-Rezepten eingegangen. „Die meisten wissen davon noch überhaupt nichts. Und viele ältere Menschen wollen das auch gar nicht“, sagt eine Mitarbeiterin einer Sonthofer Arztpraxis. Lediglich die elektronische Krankschreibung sei seit einigen Monaten möglich – zumindest in einigen Arztpraxen.

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