Wenn Gerhard Pfeifer über die Geschichte seines Unternehmens spricht, leuchten die Augen des 67-Jährigen. Schließlich können laut einer Liste des Handelsblatts nur vier deutsche Familienbetriebe auf eine längere Geschichte zurückblicken als Pfeifer Seil- und Hebetechnik in Memmingen. Das Allgäuer Traditionsunternehmen feiert dieser Tage sein 444-jähriges Bestehen.
Dass die Anfänge der heute weltweit agierenden Pfeifer Holding mindestens so weit zurückliegen, beweist eine Urkunde aus dem Jahr 1579, die mit einer für heutige Ohren ungewöhnlichen Geschichte verknüpft ist: So beschwerte sich damals der Seiler Linhart Biechele zusammen mit seinen Zunftgenossen beim Memminger Stadtrat darüber, dass der örtliche Scharfrichter mit Rosshaar gehandelt habe – obwohl dies ein Privileg der Seiler sei. Seit diesem Tag im Februar 1579 lässt sich die Geschichte des Familienbetriebs über zwölf Generationen bis zu Gerhard Pfeifer zurückverfolgen – denn Biechele war ein direkter Vorfahre des heutigen Firmeninhabers.
Wirtschaftswunder: Pfeifer nutzt die Gunst der Stunde
Dessen Vater Hermann Pfeifer hat ab den 1950er Jahren den Handwerksbetrieb zu einem modernen Industrieunternehmen umgewandelt. „Mein Vater hat nach dem frühen Tod meines Großvaters den dreiköpfigen Betrieb bereits mit 22 Jahren übernommen“, erzählt Pfeifer.
Der junge Chef habe schließlich in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders die Gunst der Stunde genutzt und das Unternehmen stetig vergrößert. „In den 50er und 60er Jahren gab es vor allem in der Bauindustrie eine große Nachfrage nach Drahtseilen“, sagt Pfeifer und erinnert zugleich an die Gründung der Firma Liebherr in Kirchdorf im Jahr 1949. Das Unternehmen habe zunächst einen leichten Baukran und in der Folge weitere Baumaschinen entwickelt. Und für diese Maschinen wurden spezielle Drahtseile benötigt. Liebherr gehört laut Pfeifer bis heute zu den großen Kunden des Unternehmens. (Lesen Sie auch: Aktienbrauerei Kaufbeuren: Wie steht es um die Umzugspläne?)
Weltmarktführer aus Memmingen
Gerhard Pfeifer stieg nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Philosophie (Nebenfach) in die Firma ein und übernahm nach einem „Hineinwachsen in die Verantwortung“ Mitte der 1990er Jahre die Geschäftsführung. Pfeifer trieb unter anderem die Internationalisierung der Unternehmensgruppe voran. Mittlerweile gibt es Niederlassungen in 19 Ländern sowie jeweils einen Produktionsstandort in Memmingen und in Mülheim an der Ruhr sowie in China und Polen. Auch das Angebot der Pfeifer-Gruppe ist mit den Jahren kräftig gewachsen. Neben Drahtseilen für Kräne, Aufzüge und weitere Anwendungen bietet Pfeifer zum Beispiel auch innovative Lösungen zum Heben schwerer Lasten an. Nicht zuletzt hat sich das Unternehmen auf seilgetragene Leichtbau-Architektur spezialisiert. Dazu gehören zahlreiche Dächer und Fassaden von großen Sportstätten – darunter das chinesische Nationalstadion in Peking, das sogenannte Vogelnest. Das jüngste Stadiondachprojekt war das SoFi Football-Stadion in Kalifornien, dessen Bau rund fünf Milliarden Euro verschlungen hat. Der Auftrag des Memminger Unternehmens hatte ein Volumen von 165 Millionen US-Dollar und war der bisher größte Auftrag der Firmengeschichte.

Aber es ging bei Pfeifer Seil- und Hebetechnik nicht nur bergauf. Es mussten auch Rückschläge verkraftet werden. So gab es nach den Worten des Firmeninhabers zum Beispiel im Jahr 2009 eine schwierige Phase: „Wir hatten den Umsatz seit 2006 mehr als verdoppelt. Das ging zu schnell. Da haben wir uns übernommen.“
Schwieriges Jahr für Pfeifer-Gruppe
Das Jahr 2021 war ebenfalls nicht einfach. Denn eine von Pfeifer gekaufte Firma in den USA hat 2021 keinen einzigen Auftrag an Land gezogen. „Dadurch ist eine größere Auftragslücke entstanden“, betont Pfeifer. Zugleich sei bei der Akquise neuer Aufträge manches schiefgelaufen. Weiter ins Detail möchte der Firmeninhaber nicht gehen. Mittlerweile befinde man sich aber in einer Konsolidierungsphase, „die wir sauber durchsteuern wollen, um uns wieder stabil auszurichten“. Letztlich sei die Existenz der Pfeifer-Gruppe mit ihren 1600 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 380 Millionen Euro nicht gefährdet. „Wir haben ein stabiles Geschäftsmodell“, betont Pfeifer, der seit 2022 auf eigenen Wunsch nur noch die Funktion eines Beirats innehat, während die Geschäftsleitung jetzt in den Händen eines dreiköpfigen Führungsteams liegt. Ob einmal seine beiden Töchter ins Unternehmen einsteigen werden, ist laut Pfeifer noch offen. Aber die Zwillingsschwestern hätten „ein starkes unternehmerisches Blut“.
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