Kriegsende

Mahnende Worte in Kaufbeuren zum "Jahrestag der Befreiung"

Mehrere Gruppierungen, darunter der Arbeitskreis Asyl, setzten sich bei der Kundgebung in Kaufbeuren für Toleranz und gegen Rassismus ein.

Mehrere Gruppierungen, darunter der Arbeitskreis Asyl, setzten sich bei der Kundgebung in Kaufbeuren für Toleranz und gegen Rassismus ein.

Bild: Harald Langer

Mehrere Gruppierungen, darunter der Arbeitskreis Asyl, setzten sich bei der Kundgebung in Kaufbeuren für Toleranz und gegen Rassismus ein.

Bild: Harald Langer

In Kaufbeuren wurde der "76. Jahrestag der Befreiung" begangen. Redner mahnten bei der Kundgebung, die Erinnerungskultur wach zu halten. Welche Bausteine es dafür gibt.
09.05.2021 | Stand: 18:24 Uhr

Zahlreiche Menschen und Gruppierungen haben am Samstag in Kaufbeuren an das Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus vor 76 Jahren erinnert. Bei einer Kundgebung vor dem Alten Rathaus forderten mehrere Redner, den 8. Mai wie in anderen europäischen Ländern zu einem gesetzlichen Feiertag zu erklären. Mitglieder der Kaufbeurer Initiative für Frieden, Internationalen Ausgleich und Sicherheit (KIFIAS), der Initiative gegen Rechts und des Asylkreises Kaufbeuren erinnerten an die Opfer des Faschismus und die Schicksale von Flüchtlingen. Sie appellierten, sich für eine weltoffene und solidarische Gesellschaft einzusetzen.

Viele Projekte in Kaufbeuren

Oberbürgermeister Stefan Bosse nannte den 76. Jahrestag der Befreiung einen „Tag des Glücks“, der einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte markiere. „Für unsere Region in Europa bedeutet er auch den Beginn der längsten Friedensperiode“, so Bosse, der auf den hohen Stellenwert der „Erinnerungskultur“ in Kaufbeuren verwies. Dazu zählten nicht nur die zahlreichen Projekte, sondern auch die „Stolpersteine“ auf Gehwegen, die an die Opfer des Nationalsozialismus in Stadt und Umland erinnerten, sowie die geplante Umbenennung von Straßen, deren Namengeber in dem dunklen Kapitel deutscher Geschichte Verantwortung trugen oder sich nicht distanziert hatten.

Immer weniger Zeitzeugen

Wie wichtig die Erinnerung ist, betonte Petra Weber, die Leiterin des Stadtmuseums. „Das Zeitfenster, in denen Zeitzeugen berichten können, schließt sich“, sagte sie. „Unsere Aufgabe ist es, die Zeugnisse der Erlebnis-Generation dauerhaft zu sichern und zugänglich zu halten.“ Die Erinnerung lebendig zu halten, sei umso wichtiger in einer Zeit, in der die NS-Zeit zunehmend verharmlost werde und die Zahl antisemitischer Straftaten zunehme.

Bewegende Erzählungen

Aus dem Ausstellungsprojekt des Stadtmuseums, „Kaufbeuren unterm Hakenkreuz. Eine Stadt auf Spurensuche“, haben sich eine Reihe von Nachfolgeprojekten ergeben. Eines davon sind die Interviews mit älteren Kaufbeurern über ihre Erlebnisse in der NS-Zeit. Weber berichtete von den Erzählungen eines früheren „Hitler-Jungen“, einer ehemaligen Nachrichtenhelferin bei der Wehrmacht und eines Mannes, der als Neunjähriger den Einmarsch der Amerikaner miterlebte. Die Gespräche, von denen auch Mitglieder der Kulturwerkstatt und des Stadtjugendrings eindrücklich sprachen, bezeichnete Weber als „einen Baustein“ für ein mehrschichtiges und vielstimmiges Bild, wie sich der Nationalsozialismus in Kaufbeuren und Umgebung ausgewirkt hat.

Eduard Kornfeld im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der Kundgebung stand die Erinnerung an die Befreiung Eduard Kornfelds, der als junger Mann unfassbare Grausamkeiten auch im KZ-Außenlager Riederloh ertragen musste. Wie durch ein Wunder überlebte er. Kornfeld baute sich in der Schweiz eine neue Existenz auf, wo er 1991 starb. Dr. Thomas Melcher von KIFIAS zitierte ihn mit den Worten: „Wir dürfen keine Mitläufer werden und müssen für unsere Freiheit kämpfen.“

Kritik an EU-Politik

Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl (Die Linke) sprach von den „Schatten, die der Nationalsozialismus auch auf unsere Region geworfen hat“. Sie verurteilte Rassismus und Ausgrenzung. Der EU-Politik schrieb sie eine Mitverantwortung an der „humanitären Katastrophe“ vor den europäischen Außengrenzen zu. Diese Form der Politik verdiene keinen Friedensnobelpreis, sagte auch der langjährige Kaufbeurer Pastoralreferent Michael Rösch von der Friedensbewegung Pax Christi. Der 8. Mai stehe auch für Solidarität und setze ein Zeichen gegen „plumpen Egoismus“.

Geschichten vom Flüchten und Ankommen

Günther Kamleiter vom Arbeitskreis Asyl stellte den 32-jährigen Ali vor, der in bewegenden Worten seine Fluchtgeschichte und über das Leben in seiner neuen Heimat Kaufbeuren berichtete. Musikalisch umrahmten die Veranstaltung Maria und Rupert Schmauch, Florian Mayer und Paul Meichelböck.

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