Setzte einen wohlklingenden Schlusspunkt: die hr-Bigband mit Jim McNeely.
Bild: Martthias Becker
Setzte einen wohlklingenden Schlusspunkt: die hr-Bigband mit Jim McNeely.
Bild: Martthias Becker
Es lief gut für die Festivalmacher. Sehr gut sogar. Die gut 50 Konzerte des Jazzfrühling in Kempten hörten sich rund 6000 Musikfans an. Zwei Drittel der Auftritte waren ausverkauft, berichten Andreas Schütz und Josef Ego, die das Programm zusammengestellt hatten. Sie zeigen sich glücklich über die unerwartet große Resonanz, die am Samstag in zwei ausverkauften Konzerten sowie einem mitreißenden Auftritt der hr-Bigband im fast vollen Kemptener Stadttheater gipfelte.
Dort erlebten rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörer großorchestralen Jazz von den 1960er bis in die 1990er Jahre aus New York. Die hr-Bigband, die der US-amerikanische Komponist und Arrangeur Jim McNelly leitete, servierte gediegenen Sound mit vorzüglichen Solisten.
Zu den Vormittags- und Abendkonzerten kamen rund 5000 Besucherinnen und Besucher. Zusammen mit den vielen hundert Menschen, die beim Eröffnungstag in der Kemptener Innenstadt zuhörten, ergibt das rund 6000 Festival-Zuhörer, sagt Gerhard Zipperlen. Vorsitzender des Vereins „Klecks“, der den Jazzfrühling trägt. Er sei überaus zufrieden, auch über die gute Stimmung allerorten. Das beglücke zudem die 50-köpfige ehrenamtliche Helferschar.
Neben der Quantität passte aber auch die Qualität. Das Publikum erlebte einige musikalische Sternstunden. Wenn man überhaupt eine Rangliste machen möchte, so dürfte das Konzert des norwegischen Bassisten Arild Andersen mit seinem Quartett, das aufregend geistreich miteinander kommunizierte, ganz oben stehen, gefolgt vom Auftritt des explosiven Hochvolt-Saxofonisten David Murray. Auch die meisten anderen Konzerte boten prickelnde Klänge. Was zeigt, dass Josef Ego und Andreas Schütz ein gutes Händchen bei der Auswahl der Bands haben, egal ob sie Traditionelles, Modernes oder Populäres präsentieren.
Man kann viel spekulieren, was sonst noch überraschend viele Leute überzeugte, eine Karte fürs Festival zu kaufen, das mit einem Budget zwischen 200.000 und 300.000 Euro wirtschaftet. Nimmt das Kulturleben nach der langen Corona-Agonie wieder Fahrt auf? War es förderlich, die Ticketpreise abzusenken anstatt anzuheben?
Wie auch immer: Als Gewinn hat sich eine neue Konzertreihe in einer neuen Location erwiesen. Der Jazzfrühling wollte mit „Women in Jazz“ Frauen in den Fokus rücken, die im Jazz immer noch krass unterrepräsentiert sind, und wählte dafür die Kulturwirtschaft in der Allgäuhalle aus. Alle sieben Konzerte waren ausverkauft (siehe nebenstehenden Bericht über den Lottermoser-Auftritt). Auch die Jazzerinnen, die in der Kulturwirtschaft im Scheinwerferlicht standen, fanden die Initiative prima, etwa die Komponistin, Sängerin und Pianistin Alma Naidu. „Es ist wichtig, dass Festivalmacher und Menschen, die an den Hebeln sitzen, ein Bewusstsein entwickeln und gezielt darauf achten, Frauen in der Jazzszene Sichtbarkeit und Raum zu geben“, sagte die Münchnerin in einem Interview.
Wie männerdominiert der Jazz nach wie vor ist, zeigten die meisten anderen Konzerte – auch das große Finale mit der hr-Bigband, das die Sparkasse sponserte. Null Frauen dürfen oder wollen dort mitspielen. Die 18 Herren meist mittleren Alters bilden gleichwohl ein gut geöltes Räderwerk. Dirigiert vom 73-jährigen Jim McNeely stellten sie Musik von Thad Jones’ und Mel Lewis’ legendärem Orchester vor, das die Beiden 1966 im New Yorker Club „Village Vanguard“ gründeten, und das bis heute – nun als Vanguard Jazz Orchestra – besteht. McNeely hat viele Stücke dafür komponiert und arrangiert.
Das Konzert geriet damit zur Reise durch mehrere Jahrzehnte Bigband-Geschichte. Sie zeigte, wie der Jazz des bereits farbensprühenden Originalorchesters später (noch) sinfonischer, dynamischer, effektvoller, raffinierter wurde. Am Festivalende also Musik zum Genießen, welche die Tontechniker – wie übrigens fast durchgängig – transparent und ausgezeichnet abgemischt auf die Lautsprecherboxen schickte.
Hier sehen Sie Bilder von der Jazznacht am Freitagabend in Kempten: