In der Ausstellung zu sehen: Landschaftsgemälde von Franz Sales Lochbihler
Bild: Diemand
In der Ausstellung zu sehen: Landschaftsgemälde von Franz Sales Lochbihler
Bild: Diemand
Gebetsmühlenartig schimpfte Margarete Gradmann in den vergangenen Jahren. Warum sollen wir noch weitere Kunstwerke sammeln, wenn ja doch nichts ausgestellt wird – so lautete das Mantra der Vorsitzenden der „Freunde der Kemptener Museen“ (fkm). Über 2000 Gemälde, Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und historische Objekte haben Gradmann und ihre Mitstreiter in den 33 Jahren seit Gründung des Vereins zusammengetragen. Aber sie auch öffentlich zu zeigen, das war in den vergangenen Jahren kaum noch möglich. Bis jetzt.
Denn am kommenden Dienstag startet – nach coronabedingter, viermonatiger Verzögerung – eine große Ausstellung mit Werken aus der fkm-Sammlung – natürlich nur, wenn der derzeit steigende Corona-Inzidenzwert nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht. Die Kemptener Museumsverwaltung hat dem Verein ihren derzeit wohl besten Saal zur Verfügung gestellt: den großen Ausstellungsraum des Alpin-Museums im barocken Marstall. Das nutzt der Verein, der sich die Bewahrung des kulturellen Erbes auf die Fahnen geschrieben hat, weidlich. Gut 200 Kunstwerke, also rund zehn Prozent des Bestandes, hat der Kurator der Ausstellung, Dr. Werner Scharrer, im mächtigen Säulensaal platziert.
Er kennt die Sammlung ebenso gut, wie die Vorsitzende: Gradmann und Scharrer sind diejenigen, die in den vergangenen Jahren den Bestand stetig erweitert haben. Sie jagen für den fkm Kunstschätze mit Bezug zu Kempten – vor Ort, aber wenn es sein muss auch national und international. Nun sind ihre Jagdtrophäen endlich zu erleben – Beutekunst im positiven Sinn.
Wer die Ausstellung besucht, unternimmt eine Reise durch die Kunst- und Kulturgeschichte der Region. Präsentiert werden Werke aus den vergangenen Jahrhunderten: Kemptener Ansichten, Porträts, Uhren, Allgäuer Landschaften, christliche Kunst, historische Postkarten, abstrakte Malerei, Werbegrafik. Der Fokus liegt klar auf Kempten. Aber weil die Stadt sich immer schon als Allgäu-Zentrum verstand, hat sich auch das regionale Kunstschaffen in der Sammlung der Museumsfreunde niedergeschlagen.
Wenn Ausstellungsbesucher trichterförmig zulaufenden Hauptgang nehmen, treffen sie gleich mal auf die Größen der historischen Kemptener Kunst: Franz Georg Hermann (1692 - 1768), den großen Hofmaler der Fürstäbte; Adolf Hengeler (1863 - 1927), der es bis zum Professor an der Münchner Kunstakademie brachte; Franz Sales Lochbihler (1777 - 1854), der aus ärmlichen Verhältnissen in Wertach stammte und nach Erfolgen als Hofmaler in München das letzte Drittel seines Lebens in Kempten verbrachte und nicht nur die Kemptener Oberschicht trefflich porträtierte, sondern auch Landschaftsgemälde mit feiner Lichtregie schuf. Wie die Museumsverwaltung um Christine Müller Horn den Museumsfreunden bei der Gestaltung der Ausstellung half, zeigt der Einsatz moderner Medien. Etwa bei einem der ältesten Werke in der Schau, einem Stadtplan der Reichsstadt aus dem Jahr 1729. Einzelne Gebäude des kolorierten Kupferstichs werden groß auf die Wand projiziert und erläutert. Ähnlich verfahren die Ausstellungsmacher mit einem Postkarten-Album oder dem Stiftskalender aus dem Jahr 1778.
Daneben begegnen Besucher auch vielen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Hans Dietmann Franz Weiß, Johann Keller oder Heinz Schubert heißen die älteren, Manfred Mausner, Christa Kyrein-Fröhlich oder Waltraud Janzen die jüngeren (und teils noch lebenden). Ein repräsentativer Querschnitt durch die jüngere Allgäuer Kunstszene ist das freilich nicht, da fehlen dann doch gewichtige Namen, allen voran Horst Heilmann, zweifacher Kemptener Kunstpreisträger und meisterlicher Porträtist der Oberbürgermeister. Dies dürfte auch dem Sammlungsverfahren der Museumsfreunde geschuldet sein, das nicht dem Prinzip der größtmöglichen Repräsentativität folgt und nicht streng systematisch ist, wie Gradmann und Scharrer erläutern.
Wenn die Beiden auf Jagd nach „Kunst für Kempten“ (so der Titel der Ausstellung) und Allgäuer Objekte gehen, werden sie oft in den Katalogen von nationalen und internationalen Auktionshäusern fündig. Bisweilen werden sie durch Hinweise auf Werke von kunstgeschichtlicher Bedeutung gestoßen. Da kann es auch mal passieren, dass Margarete Gradmann ein Jahr lang hart verhandelt, um den ursprünglich (unbezahlbaren) fünfstelligen Preis auf einen (bezahlbaren) vierstelligen Preis herunterzudrücken. Überhaupt können sie und Werner Scharrer jede Menge kurioser, abenteuerlicher und vergnüglicher Geschichten erzählen über ihre Ankäufe. Insgesamt haben die Freunde der Kemptener Museen in den vergangenen 33 Vereinsjahren fast eine halbe Million Euro dafür aufgebracht.
Bisweilen werden sie auch auf Flohmärkten oder Dachböden fündig, können (beispielsweise) für eine Handvoll Euro ein altes Werbeplakat der Kemptener „Brauerei zur Stadt Hamburg“ kaufen. Vor allem aber speist sich die Sammlung des Vereins aus Schenkungen, wie Werner Scharrer erläutert. Sie stammen entweder direkt aus Künstlerhand, aus den Nachlässen von Künstlerinnen und Künstlern oder aus privaten Nachlässen. So sind die Museumsfreunde zu zwei Prachtuhren aus der Werkstatt des Kemptener Hofuhrmachers Johann Baptist Pfeffer gekommen – verblüffende Handwerkskunst.
Um möglichst viele Werke aus der fkm-Sammlung im Ausstellungsraum des Marstalls unterzubringen, tätigte Kurator Scharrer einen Kunstgriff: Er hängte eine Wand voller Bilder aus allen Epochen und vieler Stile. „Kemptener Hängung“ nennt er dieses „geordnete Chaos“, das unter dem Namen „Petersburger Hängung“ oder „Salonhängung“ bekannt ist.
Die Ausstellung läuft bis 30. Mai (geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 16 Uhr). Führungen und Workshops gibt es derzeit nicht. Für Kinder hat das Museum Basteltüten unter dem Motto „Das Allgäu als Bühne“ vorbereitet. Außerdem gibt es für 3 Euro eine Broschüre, in der Kurzbiografien der wichtigsten Künstler nachzulesen sind.