Im Einzelhandel sind die Beschäftigten unzufrieden. Sie fordern höhere Löhne und Gehälter und gehen dafür auch auf die Straße, wie am Freitag in Kempten.
Bild: Matthias Becker
Im Einzelhandel sind die Beschäftigten unzufrieden. Sie fordern höhere Löhne und Gehälter und gehen dafür auch auf die Straße, wie am Freitag in Kempten.
Bild: Matthias Becker
Es gab auch Tränen, als gut 20 Galeria-Beschäftigte am Freitagvormittag ihre Filiale verließen. Die bevorstehende Schließung des Traditionshauses in Kempten sitzt vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tief in den Knochen. Mit Applaus empfingen Streikende anderer Einzelhandels-Unternehmen die Beschäftigten am Haupteingang, als diese ihre Schicht frühzeitig abbrachen.
Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Streik in mehreren Betrieben aufgerufen. In einem Protestzug marschierten hundert Beschäftigte vom Gewerkschaftshaus durch die Fußgängerzone. Sie kamen auch aus Lindau und Kaufbeuren zur Kundgebung. „Rückt die Kohle raus“, skandierten sie vor der H&M-Filiale. „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag“, erklang es dann lautstark am Zielpunkt: Galeria am Pfeilergraben.
„Wenn Sie Fragen haben, Memmingen hilft“, lautete der Slogan auf T-Shirts des Galeria-Personals in Anspielung auf den Konzern, der bei anderen Aktionen auch Beschäftigte von Karstadt Memmingen nach Kempten beordert habe. Von der Geschäftsführung fühlen sich viele verschaukelt. „Wir sind alle entsetzt über die Schließung, wir hatten ja gute Umsätze im Haus“, sagt beispielsweise Heinz Schmidbauer, seit 42 Jahren im Unternehmen. So soll es in Kempten und Memmingen weitergehen
In der „Kaufhof-Familie“ komme es als schäbig an, wenn mit den Kündigungsschreiben die Bitte verfasst werde, doch möglichst für gute Öffnungszeiten bis zum Schluss zu sorgen, sagte Verdi-Sekretär Werner Röll.
Mit Streikleiterin Manuela Karn prangerte er die Haltung des Einzelhandelsverbands an. „Das Angebot in Höhe von 52 Cent mehr auf die Stunde nehmen wir auf keinen Fall an“, versicherte Karn. In den Tarifverhandlungen fordert Verdi eine Erhöhung der Stundenlöhne um 2,50 Euro und für die unteren Beschäftigtengruppen einen Lohn von mindestens 13,50 Euro je Stunde.
„Solche Vorstellungen sind weltfremd“, sagt die Tarifgeschäftsführerin des Handelsverbands Bayern (HBE), Melanie Eykmann. Inflation und Kaufzurückhaltung setzten dem Handel zu, bestätigt Annette Pickert, Ortsvorsitzende des Einzelhandelsverbands. „Ich habe für beide Seiten Verständnis“, sagt sie. Die Beschäftigten bräuchten mehr Geld. Aber man dürfe auch nicht mit zu hohen Abschlüssen die Zukunft von Betrieben gefährden. Von Galeria Kempten war keine Stellungnahme zu erhalten.
Manche Beschäftigte bleiben bis Mittwoch im Ausstand. Solidarität zeigten sie untereinander, ein Beispiel lieferten V-Markt-Mitarbeiterinnen. „Uns geht’s grad gut, die Chefs sind lieb zu uns“, sagte eine Verkäuferin. Warum sie dann auf die Straße gehen? „Ihr habt uns unterstützt, als es uns dreckig ging“, rief sie der Galeria-Gruppe zu: „Jetzt sind wir für euch da.“
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