Kempten/Oberallgäu

Wohnen im Alter: Mehr Beratung notwendig

Badsanierung bei Friedhelm vom Höwel

Badsanierung bei Friedhelm vom Höwel

Bild: Christoph Kölle

Badsanierung bei Friedhelm vom Höwel

Bild: Christoph Kölle

Soziales Ausschuss stimmt Schaffung einer Fachstelle zu. Experten sehen Bedarf bei Tausenden in Stadt und Land
01.11.2019 | Stand: 14:57 Uhr

Fotos seiner Reisen schmücken die Wohnung von Friedhelm vom Hövel. Auch mit 85 Jahren ist der Kemptener gerne noch unterwegs. Manche Abläufe sind für den Senior dennoch umständlich. Ein- und Aussteigen in eine Badewanne gehört dazu. Nach der Sanierung seines Bads mit dem Einbau einer Duschkabine fühlt er sich dort viel wohler. „Hätte ich früher von den Fördermöglichkeiten gewusst, hätte ich das schon vor Jahren machen lassen“, sagt vom Hövel. Die Wohnraumberatung durch die Stadt hat ihm viel wertvolle Tipps gegeben. Dieser Service soll jetzt erweitert werden.

Der Bedarf sei riesig, sagte Cordula Amann, Koordinatorin des sozialpolitischen Gesamtkonzepts, im Sozialausschuss. Sie schätzt, dass allein in Kempten 5000 Menschen unterstützt werden könnten bei Fragen zur Ausstattung ihres Zuhauses. Vorrangiges Ziel sei dabei, den Menschen im Alter ein sicheres, komfortables Leben in den gewohnten vier Wänden zu ermöglichen.

Die Einrichtung einer Fachstelle für Wohnberatung und Wohnraumanpassung schlug sie dazu vor. Die Gruppe der Menschen mit Funktions-Einschränkungen wachse, gleichzeitig fänden sich Betroffene oft nicht zurecht im Wust der Vorschriften und Fördermöglichkeiten. Die Beratung einer Fachstelle diene beispielsweise Menschen mit absehbarem Bedarf wegen Krankheit oder Hochaltrigen, aber auch zur Vorsorge fürs Alter. Viele hätten keinen Partner oder Angehörige, die sie unterstützen oder gar Pflege übernehmen können.

Ein qualifizierter Wohnraumberater kennt Sicherheitsrisiken wie rutschige Teppiche oder lose verlegte Kabel und andere Stolperfallen. Er weiß Bescheid über technische Hilfsmittel, die Senioren das Leben erleichtern und hat Erfahrung mit sinnvollen Umbauten sowie barrierefreier Ausstattung und Möblierung. Der Aufwand mit Hausbesuch, Analyse, Umsetzung und Nachschau ist nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig geht es laut Amann um die Vermittlung in andere Wohnformen, wenn kein anderer Weg mehr bleibe.

Friedhelm vom Hövel war über eine Zeitungsmeldung auf die Wohnraumberatung gestoßen. Bei Ellen Köhler vom Amt für Senioren- und Wohnungsfragen fühlte er sich gut aufgehoben. „Ich bekam eine Checkliste, welche Unterlagen nötig sind, um möglicherweise an Zuschüsse zu kommen.“ Weil er zu 50 Prozent behindert ist, wurde ihm die Badsanierung quasi komplett finanziert. Wichtig sei, Installateure zu finden, die die Anforderungen an neue Einbauten kennen.

Die Firma Egli Gas Wasser Heizung beispielsweise ist auf diesem Feld aktiv. Die Nachfrage nach entsprechenden Sanierungen steige, sagt Firmenchef Kurt Egli, nachdem immer mehr Menschen körperliche Gebrechen hätten. Der Rat von Fachleuten sei für die Projekte wichtig, weil mancher barrierefreie Ausbau gerade in Altbauwohnungen technisch anspruchsvoll sei.

„Nicht die Menschen haben ein Defizit, es sind die Wohnungen“, sagte Amann im Ausschuss. Für Kinder würden selbstverständlich Treppen gesichert und Steckdosen abgedeckt: „In diesem Sinn sollten auch Ältere behandelt werden.“ Viele Verletzungen ließen sich so vermeiden und pflegende Angehörige entlasten. Gerade für Senioren sei es Schwerstarbeit, etwa den Partner zu betreuen. Das gilt im gesamten Landkreis genauso.

Diakonie, Caritasverband, Rotes Kreuz, Krankenkassen oder die Architektenkammer sind in Stadt und Land bereits in die Beratung eingestiegen. Für eine Fachstelle bei der Stadt hat das Sozialministerium eine Anschubfinanzierung über 40 000 Euro für zwei Jahre in Aussicht gestellt. Der Sozialausschuss schlägt nun einhellig die Schaffung einer halben Stelle vor. „Was kann man mit einer halben Stelle anfangen?“, wollte Erna-Kathrein Groll (Grüne) wissen. Hauptaufgabe werde, das entsprechende Netzwerk zwischen den verschiedenen Beteiligten aufzubauen – und natürlich zu beraten.

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