Still sitzen kann sie nicht. Erst recht nicht nach ihrer Flucht vor fünf Monaten aus der Ukraine ins Allgäu. „Wenn ich nichts tue, kreisen meine Gedanken nur um die Katastrophe in meiner Heimat“, sagt Myroslava Tkachivsa. Sie ist eine der ersten Flüchtlinge aus der Ukraine, die auf dem Allgäuer Arbeitsmarkt integriert wurden. Die ausgebildete Ärztin hat eine Arbeit als Pflegehelferin in Obergünzburg gefunden.
Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war die 44-Jährige viele Jahre als Internistin an einem Klinikum im Westen des Landes beschäftigt. Ob sie auch in Deutschland als Ärztin arbeiten darf, ist unklar. Derzeit läuft ein Anerkennungsverfahren bei der zuständigen Landesärztekammer. Doch für die Mutter von zwei Kindern, die ihren Mann in der Ukraine lassen musste, ist Warten keine Option.
Kaum hatte sie ein paar Worte Deutsch gelernt, bewarb sie sich bereits beim Pflegedienst „In guten Händen geborgen“ in Obergünzburg. Dort suchte Leiterin Bilgi Thaqi gerade eine Hauswirtschaftlerin. „Als ich erfuhr, dass Mira eigentlich Ärztin ist, war mir sofort klar, dass ich sie nicht zum Putzen schicken werde“, erzählt die 44-Jährige. Statt dessen bot sie ihr eine Stelle als Pflegehelferin an.
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Nach nur fünf Monaten spricht "Mira" so gut Deutsch, dass sie ihren Alltag meistern kann
„Mira“, wie sie von allen Kollegen und Klienten liebevoll genannt wird, willigte sofort ein: „Ich war einfach nur glücklich. Das ist so ein großer Schritt für mich. Die Arbeit macht viel Spaß. Alle sind toll. Ich lerne jeden Tag neue Wörter und sogar ein bisschen Dialekt“, sagt sie lachend.
Nach nur fünf Monaten Aufenthalt spricht sie inzwischen so gut Deutsch, dass sie ihren Alltag meistern kann. Den Grundstein legte dafür übrigens der sechsjährige Sohn ihrer Vermieterin: „Er hat mir die ersten Wörter beigebracht: Teller, Glas oder Tisch zum Beispiel.“ Darauf folgte ein Deutschkurs.

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Senioren empfingen sie mit offenen Armen
Auch die Senioren, die der Pflegedienst betreut, empfingen sie buchstäblich mit offenen Armen. „Bevor ich Mira einsetzte, habe ich unsere Klienten gefragt, ob es sie stören würde, wenn eine neue Mitarbeiterin nicht so gut gut deutsch sprechen würde“, erinnert sich Bilgi Thaqi.
Darauf fragte eine Seniorin: „Woher kommt sie denn?“ „Aus der Ukraine.“ Darauf die Seniorin: „Dann müssen Sie die nehmen!“ Bilgi Thaqi tat nicht nur das. Sie unterstützt Mira und ihre beiden Kinder auch, in dem sie ihr ein Auto des Pflegedienstes überließ, um zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren zu können.
Viele Ukrainerinnen und Ukrainer im Allgäu arbeitslos gemeldet
Im August waren 1142 ukrainische Staatsangehörige im Allgäu arbeitslos gemeldet. Die Mehrzahl unter ihnen sind nach Behördenangaben Frauen. „Aktuell laufen in vielen Fällen noch die Deutschkurse für die Geflüchteten“, sagt Horst Holas, stellvertretender Leiter der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen. Vereinzelt sei es aber bereits gelungen, ukrainische Flüchtlinge in den Allgäuer Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Beispiel dafür ist Mira Tkachivsa.
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