Am Anfang stehen nur wenige Töne. Sie weisen nach unten. Pause. Dasselbe noch mal. Von einer Melodie kann man noch nicht sprechen. Dann greift Abdullah Ibrahim die ersten, luftigen Akkorde auf dem großen Steinway-Flügel. Aus dieser „Ursuppe“ schält sich langsam ein bluesartiges Stück heraus. Mucksmäuschenstill verfolgen die Zuhörenden im ausverkauften Kemptener Theater wie der 89-Jährige Pianist, der zuvor in kurzen Schritten und in Begleitung seiner Frau Marina Umari auf die Bühne gekommen war, sich improvisierend in dieses Konzert hineintastet. Langsam klingen die ersten Emotionen an: Melancholie und Fröhlichkeit. Das sind die beiden Pole, zwischen denen Abdullah Ibrahims Musik bei seinem Solo-Recital zum Finale des Kemptener Jazzfrühlings pendeln wird. Aber es dauert noch etliche Minuten, bevor sich eine bekannte Melodie offenbart.
Jazz-Frühling in Kempten