Aus dem Weltall kommend schwebt die Kamera in Zeitlupe auf einen Planeten zu, der zerstört ist und verlassen scheint. Man sieht öde Landschaften und ruinierte Städte. Doch es gibt überraschend noch Leben: In einem Wald tanzen und feiern Menschen. Junge Gesichter strahlen und genießen die Gemeinschaft, während aus den Lautsprechern Musik und Gesang in klassisch-romantischem Duktus tönt. Julian Rosefeldt hat diesen Kunstfilm gedreht. Wer „Penumbra“ anschauen möchte, muss in den Keller der „Verpackerei Gö“ von Michaela und Bruno Wank im Ostallgäuer Dorf Görisried hinabsteigen. In den dunklen Räumen, die einst als Käselager dienten, kann man noch mehr Video- und Soundinstallationen erleben, die kunstvoll das Zusammenleben von Menschen beleuchten.
Die Anregung kommt von Musica Sacra in Marktoberdorf
Die Gruppenausstellung mit sechs internationalen Kunstschaffenden geht auf eine Anregung von Ramona Wegenast zurück. Die Geschäftsführerin von „Musica Sacra International“ überlegte sich, ob nicht Bildnerisches zur Musik des Weltreligionen-Festivals rund um Pfingsten in Marktoberdorf passen würde. Sie wandte sich an eine der ersten Adressen für Zeitgenössisches im Allgäu, an die „Verpackerei Gö“ der Wanks. Wo sie auf offene Ohren stieß. Das Kuratorenpaar Wank hatte schnell ein paar gute Ideen und aktivierte seine exzellenten Kontakte zu Kunstschaffenden. „Wir wollten die Grundgedanken von Musica Sacra aber weiter fassen“, erklärt Michaela Wank. Die Ausstellung erhielt den Titel „Humanity is ...“ wobei die Pünktchen nach den Worten „Menschlichkeit ist“ zeigen sollen, dass Besucherinnen und Besucher weiterdenken und sich ihre eigenen Gedanken zum Gesehenen und Gehörten machen sollen.

Beim 85-minütigen Schwarz-weiß-Film „Penumbra“ von Julian Rosefeldt, der in Berlin arbeitet und Kunstprofessor in München ist, kann man sich denken, was passiert ist: Die Menschen haben offenbar ihre Welt zerstört – vermutlich durch ausbeuterisches Leben und Wirtschaften. Die Klimakrise ist zur Katastrophe geworden. Dass am Ende eine neue Jugend, friedlich tanzend, doch eine Zukunft haben kann, ist ein verlockender Gedanke, den die Dramatik und Poesie von Schumanns Musik („Szenen aus Goethes Faust“) bestärken. Und reichlich optimistisch. Vielleicht sollte man doch im Hier und Jetzt konsequenter handeln?
Das Begegnungsfestival Musica Sacra möchte friedliches Zusammenleben und Toleranz fördern. Dass dies bisweilen nicht einmal in den eigenen vier Wänden gelingt, zeigt Herbert Nauderer in seinem Video „Parasite Island“. Da leben drei Personen in einem „Mausmannsland“ zusammen, deren Kommunikation ziemlich kaputt ist. Sie schweigen oder schreien sich an. Das endet in Gewalt. Oder auch nicht?

Nauderer, beheimatet am Starnberger See, schafft ein surreales und beklemmendes Setting. Er produziert, führt Regie und sorgt zeichnerisch für dunkles Blut in diesem rätselhaften 13-Minuten-Film, der als Metapher für Kommunikationsstörungen in Gesellschaften sowie zwischen Staaten und Kulturen gedeutet werden kann. Die beiden großartigen Schauspieler Sibylla Canonica und Josef Bierbichler spielen mit einer Intensität und Wucht, die atemberaubend ist.
Eine Maschine schlägt auf Trommeln
Den Ausstellungsbesuchern etwa leichter machen es Haroon Mirza und Helga Dóróthea Fannon (London). Sie erzählen recht spielerisch von der Suche nach Seelenruhe. Was Betrachter aber nicht unbedingt fühlen. Müssen sie doch zwei gegenüberliegende Leinwände im Blick behalten, und dazu noch eine technisch wirkende Installation mit Solarmodulen, deren Strom Maschinen antreiben, die wiederum Trommeln schlagen. Es geht um Natur und Technik, um Künstliches und Natürliches – Pole unauflösbarer Spannung in einer modernen Welt. Wie kann man hier zur Ruhe kommen? Wie seinen Seelenfrieden finden?

Dass das Finden einer gemeinsamen Basis schwierig ist, zeigt auch Sameh Al Tawil (Kairo/München): Sechs Musizierende wollen in seiner Videoarbeit „A 442 HZ“ ihre Streichinstrumente auf den Kammerton A stimmen. Das misslingt. Es bleibt vielstimmig. Aber hier geht es wenigstens ohne Gewalt ab ...
Die Ausstellung im Keller der Verpackerei Gö läuft bis 26. Mai; geöffnet Freitag bis Sonntag sowie am Pfingstmontag (20. Mai) von 14 bis 18 Uhr. Es empfiehlt sich, eine warme Jacke mitzubringen.
Außerdem ist die Verpackerei Gö Gastgeberin eines Konzerts von Musica Sacra International: Am Pfingstsonntag, 19. Mai, treten um 20 Uhr der Nairobi Chamber Choir (Kenia) und das Karnataka College of Percussion (Indien) auf. Karten gibt es in allen Service-Centern unserer Zeitung, Telefon 0831/206 55 55, sowie online auf musica-sacra-international.org.