47,8 Kilo Konsummilch wurden 2021 in Deutschland pro Kopf verbraucht – der niedrigste Stand seit 1991. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren es noch etwa 53,7 Kilo. Gemessen am Vorjahr trank der Durchschnittsbürger 2021 über zwei Liter weniger Milch. Dies geht aus Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervor. Ein Grund könne laut der Behörde der verstärkte Konsum von pflanzlichen Milchalternativen sein. Wie wirkt sich das auf eine Milchregion wie das Allgäu aus? Fehlt den Bauern künftig Kundschaft?
„Da mache ich mir aktuell noch keine großen Sorgen“, sagt Alfred Enderle, schwäbischer Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Trinkmilch spiele in der Region nur eine untergeordnete Rolle. Aus der hiesigen Milch würden allen voran Hartkäsesorten wie Emmentaler oder Bergkäse hergestellt. Aber auch viele andere Produkte, beispielsweise Weichkäse, Joghurt und Brotaufstriche. „Wir sind breit aufgestellt“, sagt Enderle. Im Gegensatz zur Trinkmilch blieb der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse laut BLE mit 25,3 Kilo im vergangenen Jahr konstant.
Das Allgäu als "Käseküche Deutschlands"
„Das Allgäu ist die Käseküche Deutschlands“, sagt auch Rudolf Seipelt vom Milchwirtschaftlichen Verein Bayern mit Sitz in Kempten. Die großen Lieferanten von Trinkmilch befänden sich eher in Nord- und Mitteldeutschland. Den Trend hin zu Ersatzprodukten kann er nur bedingt nachvollziehen: „In unserer Milch sind von Natur aus viele wichtige Inhaltsstoffe, die bei den Alternativen zum Teil erst noch zugefügt werden müssen.“ Als Beispiel nennt er bestimmte Vitamine. Dazu komme, dass vielen Verbrauchern auch Regionalität wichtig sei. „Wir können im Allgäu aber schlecht Mandeln oder Soja anbauen, dazu haben wir einfach nicht das richtige Klima.“
Diese Produkte müssten oft aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden. „Wir dürfen uns nicht von Rohstoffen aus anderen Ländern abhängig machen“, sagt Seipelt. Und doch müsse sich die Milchwirtschaft anpassen. Wichtig seien dabei auch Marketing und Aufklärung. So haben einige Molkereien gemeinsam eine Broschüre herausgebracht, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft befasst.
Hafermilch und Co. "in jedem Fall klimafreundlicher"
Genau hier haben die Alternativprodukte einen Vorsprung. So liege die pflanzliche Variante bei ökologischen Auswirkungen wie den CO2-Emissionen unter der Kuhmilch, erläutert Malte Oehlmann, Konsumforscher an der TU München. „Sie ist in jedem Fall klimafreundlicher.“ Beim Wasserverbrauch komme es auf die Basis an, hier führe beispielsweise Mandelmilch zu einem höheren Verbrauch als Kuhmilch. Er sieht einen wachsenden Markt für Milchalternativen, „von 2018 bis 2020 haben sich die Verkäufe verdoppelt“, erläutert er. Am besten verkaufe sich Hafermilch.
Die Käufer seien meist Vegetarierinnen und Veganer, haben eher höhere Einkommen und seien jung. „Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Alter und Kaufentscheidung.“ Drei Faktoren beeinflussten den Konsum: „Umweltaspekte, Tierwohl und Gesundheitsaspekte. Die ersten beiden sprechen gegen die Kuhmilch“ – bei der Gesundheit hänge es vom Ziel der Konsumenten ab. Oehlmanns Schlussfolgerung: „Der Trend spricht gegen die Kuhmilch. Junge Leute konsumieren häufiger Alternativen, sie werden älter und könnten ihre Gewohnheiten weitergeben“, sagt Oehlmann.
Immer mehr Menschen lebten vegetarisch oder vegan, auch das Tierwohl spiele eine immer größere Rolle. „Der Marktanteil der Alternativen dürfte weiter steigen“, ist er sicher. „Aber: Das ist immer noch ein Nischenmarkt“, der nur bei fünf Prozent des Marktes für Kuhmilch liege. Im regionalen Handel rechnet man vorerst mit wenig Veränderung. Zwar sei die Nachfrage nach Milchalternativen gestiegen, sagt Martin Glöckner, Assistent der Geschäftsleitung bei V-Markt. „Auf absehbare Zeit rechnen wir damit, dass der Milchmarkt so bleibt, wie er heute ist.“ Eine Veränderung sieht er dennoch: „Der Trend geht bei Lebensmitteln zu bio und regional, auch bei der Milch.“
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