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Metzenarsch, Hundsarsch und Bscheißer - warum Bergnamen "zensiert" werden

Derbe Gipfelbezeichnungen

Metzenarsch, Hundsarsch und Bscheißer - warum Bergnamen "zensiert" werden

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    Was erinnert hier an das Hinterteil einer Prostituierten? Die Köllenspitze (vormals Metzenarsch) vom Grat zur Schneidspitze aus gesehen.
    Was erinnert hier an das Hinterteil einer Prostituierten? Die Köllenspitze (vormals Metzenarsch) vom Grat zur Schneidspitze aus gesehen. Foto: Mark Bihler

    Bscheißer, Hundsarschjoch und Metzenarsch: Woher haben einige Berge Namen, die bei Wanderern immer wieder für Erheiterung sorgen? Bscheißer beispielsweise ist ein Schimpfwort für den 2000 Meter hohen Gipfel Bschießer, der noch in alten Karten und auch auf manchen Wegweisern zu finden ist. Der Berg ist heute ein beliebtes Wanderziel zwischen Hinterstein und Tannheimer Tal. Es wird vermutet, dass Einheimische ihn als „Bscheißer“ verfluchten, weil Steine und Geröll von oben auf die darunter gelegenen Weideflächen fielen. In mühevoller Arbeit mussten diese großen und kleinen Felsbrocken dann von den Wiesen geräumt werden.

    Bergnamen im Wandel: Warum aus dem Bscheißer der Bschießer wurde

    "Diese Form ist natürlich ganz derb, und Bschießer ist eher eine euphemistische Lautveränderung", sagt Wolf Armin von Reitzenstein, Spezialist für Bergnamen und zweiter Vorsitzender des Verbands für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern. "Diese amtliche Form taucht erst relativ spät auf, noch 1844 heißt der Berg Scheißer oder Bscheißer."

    Für eine Adelige nicht vermittelbar: Aus Metzenarsch wird Köllenspitze

    Ebenfalls in den Tannheimer Bergen hatte die Kellespitze, heute meist als Köllenspitze bezeichnet, bis Mitte des 19. Jahrhunderts einen wenig schmeichelhaften Namen: Als Metzenarsch, eine früher übliche Bezeichnung für eine Prostituierte, titulierten die Einheimischen den höchsten Berg der Tannheimer Gruppe (2246 Meter).

    Auf die Köllenspitze geht es über das Kar "in der Kelle" - Bergsteiger sollten den Schwierigkeitsgrad 2- beherrschen.
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    Historische Bergnamen belegen, dass das Abändern derber und missliebiger Bezeichnungen keine neue Erfindung ist.

    Historischen Schilderungen zufolge verlor der Berg erst im Jahr 1854 diesen Schimpfnamen. Denn damals soll sich Königin Marie von Preußen, die Mutter von Märchenkönig Ludwig II., in den Tannheimer Bergen aufgehalten haben. Die begeisterte Wanderin ließ sich von einem einheimischen Führer das Bergpanorama erklären und die zugehörigen Gipfelnamen nennen. Angeblich war dem jedoch der Begriff Metzenarsch peinlich und er bezeichnete den Felskoloss kurzerhand als Kellespitze – benannt nach dem darunter liegenden Kar „in der Kelle“. Doch damit ist noch nicht Ende der Namens-Tausches: Mittlerweile sind drei Bezeichnungen gebräuchlich: Köllenspitze, Köllespitze und Kellespitze.

    Der Hundsarsch ist Geschichte, das Hundsarschjoch gibt es noch

    Umbenannt wurde einst auch der Hundsarsch. So soll früher nämlich der 1844 Meter hohe Vilser Kegel über der gleichnamigen kleinen Tiroler Stadt nahe Pfronten (Landkreis Ostallgäu) genannt worden sein. Der Begriff Vilser Kegel setzte sich durch, doch das darunter liegende Hundsarschjoch hat seinen wenig schmeichelhaften Namen immer noch. Das gilt übrigens auch für die unter dem Joch liegende Hundsarschalpe.

    Allerdings haben viele Berge ihre skurrilen Namen bis heute behalten, vom "Hundstod" in den Berchtesgadener Alpen bis zum "Saurüssel", einer unbedeutenden Erhebung im Mangfallgebirge.

    "Diese Namen sind nicht sehr schön, rühren aber aus den Vorstellungen der örtlichen Bevölkerung her", sagt Reitzenstein. "Derbe Flurnamen kommen aber auch im Flachland durchaus vor." Beispiele wären Galgenbühel oder Galgenmühle.

    Die Zugspitze - ein Fall von Gendering im 19. Jahrhundert

    Ein Beispiel für so etwas wie frühes Gendering - also die Einbeziehung des Geschlechterapekts - liefert Deutschlands höchster Gipfel: Die Zugspitze war ursprünglich der Zugspitz. Grund war - anders als heute - die Sprach- und nicht die Geschlechterpolitik, da die Namen der Berge dem hochdeutschen Sprachgebrauch angepasst wurden. "Der Spitz, in Bayerisch mit langem i gesprochen, ist männlich", sagt Reitzenstein. "Die Bergnamen mit "Spitze" sind erst später im 19. Jahrhundert verweiblicht worden."

    Übersetzungsfehler führten zu einigen heutigen Bergnamen

    "Viele Allgäuer Bergnamen beruhen auf Übersetzungsfehlern", sagt der Hindelanger Berg-Experte Kristian Rath. "Anfangs der 19. Jahrhundert haben die Bayerischen Landvermesser die ursprünglichen Dialektnamen nicht verstanden". Als Beispiel nennt Rath die Taufertsalpe auf dem Weg vom Schrecksee nach Hinterstein. In der Hindelanger Region heißt sie dagegen "Düfarsalp". Den Beschießer haben die Einheimischen übrigens nicht geändert. Im Ostrachtaler Dialekt spricht man weiter vom Bscheißer.

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