Früher war es nur ein Zubrot. Also ein zusätzlicher Verdienst, um die Milchkasse ein wenig aufzupolieren. Und früher heißt im Falle der Familie Eberle aus Holzleuten bei Rückholz zu Omas Zeiten. „Nach dem Krieg hat meine Oma mit der Zimmervermietung angefangen“, erzählt Irmgard Eberle. Sie bietet heute in dritter Generation „Urlaub auf dem Bauernhof“ am Ferienhof Hirsch im Ostallgäu an. Aus dem Zubrot ist mittlerweile ein zweites Standbein geworden, das fast gleich viel Geld einbringt wie die Landwirtschaft mit 80 Kühen. Wie die Eberles bieten inzwischen hunderte Höfe im Allgäu Gästezimmer an – und das auf eine professionelle Weise.
Urlaub auf dem Bauernhof im Allgäu: Viele Höfe im Allgäu gehören dazu
Das liegt vor allem an dem Verein „Mir Allgäuer“, der heuer runden Geburtstag feiert. In ihm haben sich viele Anbieter der Region zusammengeschlossen. Auch die Eberles: So richtig Fahrt aufgenommen habe die Vermietung der Ferienwohnungen, als die Familie dem Verein beigetreten ist, erinnert sich Irmgard Eberle. Plötzlich wurde aus Mund-zu-Mund Propaganda eine deutschlandweite Internet-Werbung. Aus dem einen Zimmer wurden mehrere vermietete Ferienwohnungen. Mit einer Qualitätsoffensive des Vereins kam dann auch der Mut, mehr Geld von den Urlaubern zu verlangen, sagt Eberle. „Wir haben gemerkt: Die Leute wollen für ihren Urlaub auch Geld ausgeben, wenn die Qualität stimmt.“
Jetzt kann der Verein „Mir Allgäuer“ auf 20 Jahre zurückblicken. Die rund 520 Mitglieder denken heute unternehmerischer, sagt Vereinsvorsitzende Angelika Soyer. Zusammen seien sie zur größten Anbietergemeinschaft in Bayern und Deutschland gewachsen. Der Verein ist Mitgesellschafter der Allgäu GmbH, ein großer Teil der Höfe ist Partner der Marke Allgäu. Damit gehen sie ein Qualitätsversprechen ein, sagt Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH. Die Höfe treten für die Werte des Allgäus ein, bieten beispielsweise regionale Produkte an. Das sei auch das Ziel für die nächsten Jahre, erklärt Joachim: „Wir wollen das hohe Niveau halten.“

Der Fokus bleibe auf der Qualität. Für den Tourismus der Region sei der „Urlaub auf dem Bauernhof“ heute enorm wichtig. Die Zahl der Betten, die die Höfe bieten, ist gleich hoch wie die der Allgäu Top-Hotels, sagt Joachim. Bei beiden Anbietern sind es über 6000. Allein diese Tatsache mache sie zu gleich wichtigen Partnern.
Was ist der Unterschied zwischen Urlaub auf dem Bauernhof und Landhof?
Sich gemeinsam zu verbessern und noch professioneller zu werden ist ohnehin das Ziel von „Mir Allgäuer“: „Wir schauen gemeinsam über den Tellerrand“, sagt Soyer. Das habe der Verein vielen anderen Regionen in Deutschland voraus: Dort gebe es nach wie vor mehrere einzelne Zusammenschlüsse. So würden Vorteile wie etwa der Zusammenhalt verloren gehen. „Wir sind nicht auf Buchungsplattformen wie ’booking.com’ angewiesen“, sagt Soyer.
Wer Mitglied im Verein ist, muss entweder Urlaub auf einem Bauernhof oder einem Landhof bieten. Der Unterschied: Während bei „Urlaub auf dem Bauernhof“ eine aktiv bewirtschaftete Landwirtschaft da sein muss, die für die Gäste auch erlebbar ist, steht beim Landhof das Landerlebnis im Vordergrund. Der landwirtschaftliche Bezug müsse aber noch deutlich erkennbar sein, erklärt Soyer.
Welche Gäste kommen in das Allgäu auf den Bauernhof?
Heute haben sich die Höfe auf verschiedenste Gäste spezialisiert. „Jeder Hof entscheidet selbst, wer kommt“, sagt Soyer. Mal sind es Familien, im speziellen Kinder. Andere wenden sich rein an Paare. Auch Wellness-Angebote gebe es – zum Beispiel auf dem Hof von Angelika Soyer im Oberallgäu. Dort hat sich gerade die Familie Scherer einquartiert. Vater Stefan sagt: „Für mich ist es ein Urlaub zurück zur Basis.“ Er komme selbst vom Land und es sei einfach schön, nach nur eineinhalb Stunden Fahrzeit von ihrem Zuhause aus an so einem schönen Ort zu sein. „Da muss ich nicht in die Dolomiten“, sagt er. Bewusst wollte die Familie eine Wohnung und kein Hotel.
Über die Jahre stieg der Anspruch des Gastes, erzählt Soyer. Internet und ein guter Fernseher seien heute Standard. Früher setzten sich die Gastgeber fast jeden Abend mit den Gästen zusammen. Das sei nicht mehr so. Viele Urlauber interessieren sich für die Landwirtschaft und das Tierwohl, sagt Soyer und ergänzt: „Das Veterinäramt sind heute die Gäste.“ Nach wie vor sind es vor allem Deutsche, die auf die Höfe kommen. Überwiegend aus Bayern und Baden-Württemberg, sind sich Soyer und Eberle einig. Bernhard Joachim weiß aber: „Die Konkurrenz schläft nicht.“ Es gelte, sich stetig miteinander weiterzuentwickeln.