Unzählige Mythen halten sich hartnäckig, wenn es um die Gesundheit des Rückens geht. Ist da etwas dran? Oder stimmt das alles überhaupt nicht? Wir haben bei zwei Expertinnen und Experten aus dem Allgäu gefragt. (Lesen Sie auch: Zahnputzmythen: Wie, wie oft und wann sollte man Zähneputzen?)
Mythos 1: Jeder Sport ist gut bei Rückenschmerzen, Hauptsache Bewegung
"Das ist korrekt", sagt Dr. Christian Kranemann, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie an der Fachklinik Enzensberg. Kranemann hat eine Weiterbildung in Spezieller Schmerztherapie und unterscheidet in seiner täglichen Arbeit unterschiedliche Schmerzarten. "Richtig ist, dass jeder, der Sport macht, immer besser dran ist als jemand, der keinen Sport macht."
Theresa Michel arbeitet in der Praxis für Physiotherapie Schuchhardt in Pfronten. Auch die Sportwissenschaftlerin sagt: "Stimmt! Das kann man grundsätzlich so sagen, dass jeder Sport hilft." Einzig beim Gewichtheben rät sie zur Vorsicht.

Mythos 2: Eine harte Matratze ist bei Rückenschmerzen am besten
Kranemann verneint: "Eine Matratze sollte immer so gebaut sein, dass die überstehenden Körperpartien einsinken. Das hängt natürlich vom Material der Matratze ab." Ob Tempur oder Hartschaum, jede und jeder könne selbst testen, ob etwa die Schulter in die Matratze einsinken können.
Michel betont ebenfalls, dass die Wahl der richtigen Schlafunterlage individuell sei: " Dass eine harte Matratze bei Rückenschmerzen am besten sei, kann man nicht pauschal sagen." (Lesen Sie auch:
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Mythos 3: Wer lange sitzt, bekommt immer Rückenschmerzen
Auch bei diesem Mythos sind sich die Expertin und der Experte einig: Wer beim Sitzen lange in einer Position verharrt, der bekommt Rückenschmerzen. Kranemann empfiehlt: "Alternative Sitzpositionen probieren und die Rückenmuskulatur stetig aktivieren." Auf einem Gymnastikball sei man ständig Bewegung, um die kleinen Bewegungen des Balls auszugleichen. Dieses sogenannte dynamische Sitzen könne Rückenschmerzen vorbeugen.

Mythos 4: Bei Rückenschmerzen helfen Bettruhe und sich zu schonen
Diesen Mythos schränken die Experten ein. Kranemann sagt: "Nein. Bei dem Rückenschmerz, der zu 80 Prozent als Hexenschuss bezeichnet wird, sollte man nach zwei Tagen anfangen, sich wieder leicht zu bewegen. Liegen würde es noch verschlimmern."
Auch Michel empfiehlt Bettruhe nur eingeschränkt: "In einem gewissen Maße kann es helfen. Das hängt aber auch davon ab, welche Ursache der Schmerz hat."

Mythos 5: Rückenschmerzen haben nur Erwachsene
"Stimmt nicht!" sagen der Chefarzt und die Sportwissenschaftlerin. "Rückenschmerzen haben alle, quer durch Bevölkerungsschichten. Das fängt so bei 15 Jahren an und reicht bis ins hohe Alter", sagt Kranemann. Die Gründe seien vielfältig. "Oft ist die Ursache ein schlechter Arbeitsplatz. Ist der Tisch zu niedrig oder der Stuhl zu hoch, bekommt man Rückenschmerzen." Der Fachmann beobachtet, dass Kinder die tiefliegende Rückenmuskulatur kaum noch trainieren. Probleme mit dem Rücken könnten hier schon mit einem fehlenden Gleichgewichtsgefühl beginnen.

Mythos 6: Aufrechtes Sitzen hilft, dass Rückenschmerzen gar nicht erst entstehen
"Das ist nicht mehr richtig", sagt Kranemann. "Von diesem Ansatz aus der Rückenschule haben wir uns verabschiedet. Es ist wichtig, die natürlichen Funktionen zu erhalten." Dazu gehöre, verschiedene Sitzpositionen einzunehmen und sich auszuprobieren. "Wir wollen keine Zombies züchten", fasst Kranemann zusammen.
Auch seine Pfrontener Kollegin Michel entkräftet diesen Mythos: "Das stimmt nicht ganz. Es bedeutet nicht, dass man sich beim Sitzen nicht bewegen soll. Es ist wichtig aufrecht zu sitzen, anstatt sich an den Tisch zu lümmeln."

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