Premiere bei der Ostallgäuer Kunstausstellung: Erstmals in ihrer 43-jährigen Geschichte hat die Jury eine Videoarbeit mit der höchsten Auszeichnung gewürdigt. Den Johann-Georg-Fischer-Kunstpreis der Stadt Marktoberdorf, dotiert mit 3000 Euro, geht an den 31-jährigen Künstler Jonas Maria Ried aus Weitnau im Oberallgäu. Er tritt im Film selbst auf und lässt ein Rinnsal an einer Felswand zu einem mächtigen Wasserfall anschwellen – indem er an einer Leine zieht, die von oben herabhängt.
Besucherinnen und Besucher des Künstlerhauses Marktoberdorf, wo die Ausstellung mit Werken schwäbischer Künstlerinnen und Künstler bis zum 16. Januar läuft, werden bei diesem witzigen Eingriff in die Natur staunen – und vermutlich auch schmunzeln. Dazu haben sie aber nicht nur beim „Wassersturz“ von Ried Gelegenheit, sondern auch bei etlichen weiteren Arbeiten, die ironisch und witzig oder zumindest spielerisch-experimentell wirken, allen voran bei Guido Weggenmanns Installation „abgeliebt“, die den Breitkopf-Preis (2000 Euro) erhielt. Der Kemptener Multimedia-Künstler setzt einen reichlich ramponierten Teddybären auf ein Trimm-Dich-Rad und lässt ihn unermüdlich strampeln. Der 41-Jährige zimmert Material, der aus dem Sperrmüll stammen könnte, zu einer halb traurigen, halb lächerlichen Figur zusammen – und nimmt so die Wegwerfgesellschaft und den Selbstoptimierungszwang auf die Schippe.
Auch wenn die Quantität abnimmt: Die Qualität der Ausstellung im Kunstlerhaus ist hoch
Insgesamt haben es 45 Arbeiten in die Ostallgäuer Kunstausstellung geschafft – darunter auch die Arbeit „Gitter“ von Christine Reiter (Augsburg), die dafür den Sonderpreis der Franz-Schmid-Stiftung erhielt (2500 Euro). Die Zahl der Einreichungen ging erneut zurück. Nur 200 Künstlerinnen und Künstler stellten sich der Jury – 2020 waren es noch 281, 2019 gar 344. Über Gründe für diese Entwicklung lässt sich nur spekulieren und stellt auch Maya Heckelmann, Leiterin des Künstlerhauses und Begleiterin der fünfköpfigen Jury, vor ein Rätsel. „Ich spüre angesichts von Corona einen Rückzug bei den Künstlern“, lautet einer ihrer Erklärungsversuche. Auch wenn die Quantität abnimmt: Die Qualität der Schau ist hoch, nicht zuletzt dank einer strengen Jury, die offenbar recht kompromisslos auswählte. Jede Arbeit – egal ob Video, Installation, Plastik, Zeichnung, Druck oder Fotografie – besitzt essenzielles Gewicht. Gerade weil es nicht so viele sind, lohnt es, sie genauer zu betrachten.
Etwa die Preisträger-Werke. Beim Video von Jonas Maria Ried wie bei der Installation von Guido Weggenmann verbirgt sich hinter der vergnüglichen Fassade viel Stoff zum Nachdenken. „Passend zur aktuellen Diskussion über den Klimawandel stellt Ried die Frage nach der Hybris des Menschen“, schreibt Heckelmann – die Begründung der Jury aufgreifend – im kleinen Katalog zur „Ostallgäuer“.

Was zunächst lustig wirkt wie das Ziehen einer altmodischen Toilette und so romantisch wie ein Landschaftsbild von Caspar David Friedrich aus dem 19. Jahrhundert, erweist sich als als fragwürdiger Eingriff des Menschen in die Natur. Womit der Film an die gegenwärtigen Debatten anknüpft. Nochmals Maya Heckelmann: „,Wassersturz’ ist in vielerlei Hinsicht ein wichtiger, zeitgemäßer Beitrag zum aktuellen Kunstgeschehen.“
Wer die Preisträger sind:
- Jonas Maria Ried (Weitnau): Johann-Georg-Fischer-Kunstpreis der Stadt Marktoberdorf (3000 Euro)
- Christine Reiter (Augsburg): Sonderpreis der Franz-Schmid-Stiftung (2500 Euro)
- Guido Weggenmann (Kempten): Familie-Breitkopf-Preis (2000 Euro)
Führungen durch die Ausstellung:
- Direktorenführung: Maya Heckelmann führt am 1. Dezember um 17 Uhr durch die Ausstellung.
- Sonntagsführungen: Kunsthistorikerin Urte Ehlers erläutert am 12. Dezember und am 16. Januar die Ausstellung; Beginn jeweils 15 Uhr.
Öffnungszeiten (bis 16. Januar):
- Dienstag bis Freitag von 15 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 14 bis 18 Uhr (geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember). (kpm)