Eine überraschende Entdeckung machten zwei Badegäste an dem auch bei vielen Allgäuern beliebten Filzinger See bei Altenstadt. Sie entdeckten ein glibbrig-glitscherndes Wesen im Wasser, dessen Anblick sie verwunderte. "Als wir das Tier 10 Minuten lang beobachten konnten, hat man sehr gut erkennen können, dass es sich bei diesem Tier um eine Qualle handelte, die ungefähr 2-3 Zentimeter groß war", schreiben sie in einer E-Mail an unsere Redaktion.

Eine Qualle in einem bayerischen Badesee?
Kann das sein?
"Ja, auf jeden Fall", sagt Professor Herwig Stibor vom Fachbereich Aquatische Ökologie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. In den vergangenen 30 Jahren hätte sich die usprünglich aus China stammende Süßwasserqualle (Craspedacusta sowerbii) in bayerischen Seen stark verbreitet. Doch das sollte Schwimmer nicht weiter verunsichern: "Die Tiere sind für den Menschen absolut ungefährlich." Wohl aber ist ihr Auftauchen ein Zeichen für eine gute Wasserqualität.

Die Süßwasserqualle gibt dem Experten zufolge in zwei Lebensformen:
- Als Polypen (Larve), der etwa 1 bis 2 Millimeter klein ist und vorwiegend am Seegrund lebt
- Als Meduse (frei schwimmende Qualle), die etwa so groß wie eine zwei Euro Münze wird und bis zu 3 Monate lebt
Damit ein Polyp eine Qualle abschnürt, muss es in einem Gewässer über mehrere Tage mindestens 20 Grad warm sein. "Durch den Klimawandel ist das auch in unseren Breitengraden häufiger der Fall als früher. Süßwasserquallen werden deshalb immer häufiger gesichtet." So beispielsweise schon Bodensee, Chiemsee, Starnbergersee oder Brombachsee. Für Aufregung sorgten Hunderte von Quallen zuletzt am Riedlinger Baggersee in Donauwörth. Im Vorjahr gab es massenhaft Quallen an Berliner Badeseen.
Sind Süßwasserquallen eine Gefahr für das Ökosystem?
Polypen am Seeboden lassen sich laut Experte Stibor mittlerweile an fast allen bayerischen Seen in normaler Höhenlage nachweisen. Beispielsweise auch am Forggensee. Allerdings sind noch nicht an jedem See automatisch frei schwimmende Quallen gesichtet worden. Ob ein Polyp eine Qualle abschnürt, hängt von mehreren Faktoren ab, die noch nicht restlos erforscht sind. Fakt ist, dass eine warme Wassertemperatur definitiv dazu gehört.
Doch was bedeutet das Auftauchten der Glibber-Wesen für die heimischen Badeseen?
Sind sie eine Gefahr für andere Tiere oder gar das ökologische Gleichgewicht?
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"Bis jetzt haben wir keine negativen Effekte feststellen können", sagt Experte Stibor. Mit ihren Tentakeln erbeutet die Süßwasserqualle Zooplankton, also winzige, im Wasser freischwebenden Organismen, wie Wasserflöhe und Rädertierchen.
Fische scheuen den Verzehr von Süßwasserquallen
Dass sich die Süßwasserqualle immer stärker ausbreitet, hat einen einfachen Grund: Sie hat keine natürlichen Feinde. Denn: Sie besteht aus über 98 Prozent aus Wasser. Damit ist sie als Beutetier gänzlich ungeeignet: "Nicht einmal Fische haben Interesse daran", sagt Experte Stibor schmunzelnd.
Süßwasserquallen als "blinde Passagiere" eingeschleppt
Ursprünglich stammen Süßwasserquallen wohl aus dem Jangtsee-Fluss in China. Vermutlich als "blinde Passagiere" kamen sie nach Europa. Entdeckt wurden sie um 1908 im Gewächshaus des Botanischen Gartens in München. "Von dort aus müssen sie ausgebüxt sein", sagt Experte Stibor. Über hundert Jahre später sind sie in Bayern längst keine Exoten mehr.
P.S.: Mittlerweile haben Mitglieder des Fischereivereins Altenstadt bestätigt, dass auch sie Süßwasserquallen an den Filzinger Seen gesehen haben.