Wenige Wochen vor Beginn der Badesaison warten Hunderte Kinder im Allgäu derzeit vergeblich darauf, einen Platz in einem Schwimmkurs zu bekommen. Die Angebote von Vereinen und privaten Anbietern sind über Monate, teils sogar über Jahre hinweg ausgebucht. „Wir werden aktuell völlig überrannt“, sagt Andreas Gmeinder, Vorsitzender der Kreiswasserwacht Ostallgäu.
Da die Hallenbäder wegen der Corona-Pandemie längere Zeit geschlossen waren, wurden die Kursplanungen völlig durcheinandergewirbelt. „In einem normalen Jahr bringen wir etwa 1000 Kindern das Schwimmen bei. Im Vorjahr brachten wir nur 600 Kinder unter. 400 Kinder stehen jetzt also noch auf unserer Warteliste“, erläutert Gmeinder. Ähnlich ist die Situation beim TV Memmingen: Die Warteliste für die nächsten Jahre umfasst dort 300 Namen. „Bei uns gibt es Eltern, die ihr Kind schon im Schwimmkurs anmelden, bevor es geboren wurde“, schildert Kerstin Degenhardt die Situation. Der DLRG-Kreisverband Memmingen/Unterallgäu hat derweil seine Anmeldeliste geschlossen: „Eine Wartezeit von zwei oder mehr Jahren wollen wir Ihnen nicht zumuten“, heißt es auf der Homepage der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft.
Viele Eltern von Kindern im Alter von vier bis sieben Jahren sorgen sich um die Sicherheit ihrer Jüngsten: „Ich will auf jeden Fall, dass meine Tochter schwimmen kann, bevor wir im Sommer an die Seen oder im Urlaub ans Meer fahren“, sagt Mutter Franziska Danielczyk aus Kempten. „Als ich bei einer Schwimmschule erfahren habe, dass Hunderte Kinder auf der Warteliste stehen, konnte ich es kaum glauben.“
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Auch Experten bereitet die Situation Sorge. „Je schlechter Kinder schwimmen können, desto größer wird die Gefahr von Unfällen im Wasser“, sagt Jürgen Bonnemann, Sprecher der DLRG Memmingen/Unterallgäu. Schon vor der Pandemie, das berichten Schwimmtrainer, habe es oftmals Wartelisten für die Schwimmkurse gegeben. Teils fehlte es an Wasserzeiten, teils an ehrenamtlichen Trainern, um den Bedarf komplett abzudecken.
Die Übungsleiter arbeiteten am Limit, opferten im Vorjahr teils sogar Urlaubstage, um jedes Zeitfenster zu nutzen, als die Bäder öffnen durften. „Corona hat alles verschärft“, sagt Bonnemann. Doch was können Eltern tun, wenn ihr Kind keinen Platz in einem Kurs bekommt? Bonnemann rät dazu, die Kinder frühzeitig an die Bewegung im Wasser zu gewöhnen. Ein Kurs mit ausgebildeten Trainern sei natürlich optimal. „Doch bevor Kinder gar nicht schwimmen lernen, empfehle ich Eltern, selbst aktiv zu werden. Ziel muss sein, dass ein Kind sich im Notfall über Wasser halten kann.
Am Schwimmstil kann man später immer noch feilen“, lautet seine Empfehlung. Die wichtigste Regel: Eltern sollten Kinder im Wasser immer beaufsichtigen und in Griffweite bleiben. „Das gilt auch, wenn Kinder Schwimmflügel tragen“, sagt Bonnemann. In der Not wurden manche Eltern erfinderisch: Sie trafen sich zum Schwimmunterricht mit ihren Kindern in privaten Swimmingpools oder in Hotel-Bädern.
Neu ausrichten möchte man sich beim TV Kempten, der eine der erfolgreichsten Schwimmabteilungen im Allgäu hat. „Wir wollen ab Mai/Juni unser Angebot erweitern und Anfängerkurse für Kinder anbieten“, sagt Abteilungsleiter Christoph Fürleger. Derzeit werde geprüft, ob sie im Freibad oder im Hallenbad stattfinden. Sollte der Verein dafür keine zusätzlichen Wasserzeiten erhalten, schließt Fürleger das Ausweichen auf flache Seegewässer nicht aus: „Hauptsache, die Kinder lernen schwimmen.“
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