Bregenzer Festspiele 2022

Shakespeare "Sturm" aus Berlin: Das ist das Ende der Manipulationen

Stürmisches Liebespaar: Miranda (Linn Reusse) und Ferdinand (Jeremy Mockridge).

Stürmisches Liebespaar: Miranda (Linn Reusse) und Ferdinand (Jeremy Mockridge).

Bild: Roland Rasemann

Stürmisches Liebespaar: Miranda (Linn Reusse) und Ferdinand (Jeremy Mockridge).

Bild: Roland Rasemann

Regisseur Jan Bosse hat Shakespeares "Sturm" für Berlin und Bregenz inszeniert: als schräge Komödie mit einem Prospero, dem die Fäden aus der Hand gleiten.
24.07.2022 | Stand: 12:21 Uhr

Die Dominanz der alten weißen Männer geht auch bei Shakespeare zu Ende – zumindest nach Ansicht von Jan Bosse, der nun den „Sturm“ in einer Koproduktion der Bregenzer Festspiele und des Deutschen Theaters Berlin inszeniert hat. Prospero, der alle Fäden in der Hand zu halten scheint, ist am Ende ziemlich desillusioniert von dem, was er auf seiner Insel konstruieren wollte. Aber Bosse interessiert nicht nur die Frage nach Macht – und damit nach Intrige und Verrat.

Er hat die eigenartige Mischung aus Romanze, Fantasy und surrealem Drama aus dem Jahr 1611 in eine schräge, traumhafte Märchen-Komödie mit Sarkasmus, Klamauk und (Selbst-)Ironie verwandelt. Prospero sowie seine Mitstreiter und Gegenspieler stecken in herrlich absurden Kostümen. Sie spielen und kämpfen sich durch dicke Taue, die von der Decke hängen – die Fäden, die dem Möchtegern-Manipulator Prospero längst aus den Händen geglitten sind.

Verheddert in den Fäden, die er eigentlich in den Händen halten wollte: Prospero (Wolfram Koch, rechts) mit Miranda (Linn Reusse) und Caliban (Julia Windischbauer).

Verheddert in den Fäden, die er eigentlich in den Händen halten wollte: Prospero (Wolfram Koch, rechts) mit Miranda (Linn Reusse) und Caliban (Julia Windischbauer).

Bild: Karl Forster

Bosse hat dieses Stück Weltliteratur von Jakob Nolte neu übersetzen lassen. Nun ja, jene Teile, die er für wichtig hält. Denn einem wie ihm genügt das Original im Jahr 2022 natürlich nicht mehr. Da wird gerafft, umgestellt, Neues hinzuerfunden. Schließlich will, ja muss dieser 400 Jahre alte Text uns Heutigen schmackhaft gemacht werden. Aber so ganz ernst scheint Bosse, einer der gegenwärtig hochgelobten Regisseure, den „Sturm“ dann noch nicht mehr zu nehmen. Fast zuviel Spott und Ironie rührt er dazu. Das Publikum im ausverkauften Kornmarkttheater in Bregenz jubelt am Ende dennoch: wegen des vergnüglichen Spiels, der zauberhaften Bilder und eines Ensembles, das den Theaterglanz der Hauptstadt an den Bodensee bringt – allen voran Wolfram Koch als Prospero (nochmals am 25. und 26. Juli je 19.30 Uhr).