Jean Romadour kann sich fühlen wie der Hahn im Korb. Die Frauen umringen den französischen Küchenchef bei seinem Anfängerkurs und rücken ihm immer näher auf den Leib. Denn der Meister des Kochtopfs kennt das Rezept, wie Männer zu verführen sind, das Rezept für – Kässpatzen. Die amüsante Szene ist eine von vielen, die für beste Unterhaltung und spontanen Applaus bei der neuen Show von „Wir 18“ sorgen.
Die Oberallgäuer Musicalgruppe feiert – wegen Corona etwas verspätet – ihr 50-jähriges Bestehen und kleidet dieses Jubiläum in eine große und perfekt inszenierte Bühnenproduktion im Oberstdorf-Haus: „Keiner stoppt den Beat“. Was der Titel verspricht, hält er: Die mitreißenden Pop- und Rocksongs – einige sind gecovert, viele von Wir-18-Chef Helmut Rothmayr selbst geschrieben – und die fantasievolle, beeindruckend präzise Choreografie von Erika Hauber entzünden schnell das Feuer der Begeisterung bei den Zuschauerinnen und Zuschauern im ausverkauften und dicht bestuhlten großen Saal. Da wird sehr bald mitgeklatscht, ja sogar mitgesungen und mitgejubelt. Denn die Akteurinnen und Akteure auf der Bühne laufen zur Hochform auf.

Und die Show selbst zeigt wieder alle Qualitäten, mit der diese musicalbegeisterten Laien seit 50 Jahren zu beeindrucken wissen. Sie kleiden ihr eigenes Jubiläum in eine Geschichte, in der sie sich selbst und ihre Arbeit augenzwinkernd bespiegeln. Diese Geschichte führt in eine Luxusherberge, die ihr 50-jähriges Bestehen mit einer Gala begeht. Zu der reisen illustre Gäste an. Erwartet wird auch ein Hotelkritiker, der dem Haus den fünften Stern bescheren soll. Doch der Herr, der hofiert wird, erweist sich am Ende als ein ganz anderer. Bis dahin bleibt Zeit für die Chefin des Hauses (Manuela Hrdina) und ihre Crew, sich der vergangenen Jahre zu erinnern, an Anekdoten und Höhepunkte, aber auch an die Mühen, die solche Erfolge erst zustande brachten. Immer wieder schwingt dabei auch ein bisschen Wehmut mit.

Denn die Vergangenheit, sie kehrt nicht wieder. Doch auch in der Gegenwart weiß das Hotelpersonal seine Gäste – auf der Bühne und im Saal – zu beeindrucken. Etwa Barchef Paul (Roland Meier), der nicht nur hochprozentige Drinks mit gepfefferten Erinnerungen würzt, sondern auch noch mit heißen Rhythmen die Stimmung anheizt. Oder Rezeptionist Ferdinand (Markus Vogler), der – sehr zum Leidwesen seiner Chefin – im Hotelbetrieb so gern Allgäuerisch schwätzt, aber dann in der abendlichen Gala zum Musical-Superstar mutiert und ein bewegend intensives Solo aus Andrew Lloyd Webbers „Starlight Express“ zu gestalten weiß.

Diese abendliche Gala – eine Show in der Show – zeigt letztendlich, wohin der Weg der Gruppe „Wir 18“ führte. 1972 löste sie sich aus der Jugendkolpinggruppe Altstädten, gestaltete zunächst Rhythmusmessen, wagte sich später an Ausschnitte aus Musicals wie „Hair“ oder „Starlight Express“ und brachte schließlich ganze Stücke wie Andrew Lloyd Webbers „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ auf die Bühne. Später folgten selbst geschriebene Musicals wie „Der Notwender“ nach dem Roman von Peter Dörfler, „Maria Magdalena“ nach dem biblischen Stoff oder märchenhaft-fantastische Geschichten wie „Verlorene Träume“ oder „Der Geschichtenerzähler“.
Unter der Leitung von Helmut Rothmayr entwickelte sich dabei die Gruppe, der derzeit 95 Mitglieder angehören, künstlerisch stetig weiter. Sie weiß schon seit Langem ganz genau, wie Erfolgsmusicals funktionieren, wie sie in Szene zu setzen sind, wie das Publikum gefesselt und mitgerissen wird. Doch solches Niveau zu erlangen und zu halten, verlangt von Laien viel ab. Auch das thematisiert die Show.

Und schließlich erinnert Helmut Rothmayr, als Grandseigneur mit Gehstock die Bühne betretend, an jene einstigen Stützen des Ensembles, von denen man sich viel zu früh für immer verabschieden musste. Dann schlüpft er, der auch die neue Show konzipiert, geschrieben und musikalisch arrangiert hat, wieder in seine bunte Weste und leitet mit nie nachlassendem Temperament das Orchester, das hinten auf der Bühne platziert ist. Davor bevölkern illustre Gäste das Luxushotel und fechten ihre persönlichen Probleme aus – so kommt es zu einem amüsanten Kampf der Geschlechter im Spa, und eine Frau emanzipiert sich von ihrem großspurigen Mann, der am Ende ganz kleinlaut wird. Zum guten Schluss darf Ferdinand Allgäuern, so viel er will, denn schließlich stimmen alle ins Allgäu-Lied ein: Sie sind stolz, Allgäuer zu sein. Und sie alle können stolz auf diese faszinierende Gesamtleistung sein.
„Wir 18“ präsentieren die Show „Keiner stoppt den Beat“ nochmals am Freitag, 10. März, um 19.30 Uhr und am Samstag, 11. März, um 15 Uhr im Oberstdorf-Haus. Beide Vorstellungen sind ausverkauft. Wie es weitergeht, werde zeitnah entschieden, sagt Helmut Rothmayr.