In der Tourismusbranche liegen die Nerven blank. Die Ereignisse haben sich gestern überschlagen: Zuerst hatte Tirol angekündigt, sämtliche Skigebiete zu schließen und alle Übernachtungsbetriebe ab Montag dicht zu machen, dann zog Vorarlberg nach. Davon betroffen sind unter anderem auch das Tannheimer Tal sowie die ans Allgäu angrenzenden österreichischen Exklaven Jungholz und Kleinwalsertal. Gestern Nachmittag kündigte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zudem an, auch Geschäfte würden kommende Woche schließen. Ausgenommen seien aber unter anderem Lebensmittelläden.
Im Oberallgäu endet die Skisaison am Sonntag. Betroffen sind sämtliche Anlagen. Die Bergbahnen seien wegen der Corona-Krise angewiesen worden, den Betrieb ab Montag einzustellen, berichtete Winfried Tüchler, Geschäftsführer der Hörnerbahn in Bolsterlang. Er bezieht sich auf ein Schreiben, das vom Landratsamt an alle Bürgermeister gegangen sei. „Bei uns ist von einer Schließung derzeit noch nichts bekannt“, sagte hingegen eine Mitarbeiterin der Tegelbergbahn in Schwangau (Kreis Ostallgäu).
Hotels und andere Übernachtungsbetriebe im Allgäu registrieren seit Tagen immer mehr Absagen. Sogar Urlaube im Mai würden jetzt schon storniert, berichtet Simone Zehnpfennig von der Allgäu GmbH. „Nach wie vor gibt es keinen offiziellen Grund zur Stornierung, aber wir versuchen natürlich, die Bedenken der Gäste sehr ernst zu nehmen, und buchen um oder versuchen im Idealfall Wertgutscheine auszustellen, die die Gäste später einlösen können“, sagt Sybille Wiedenmann, Geschäftsführerin des Verbunds Allgäu-Top-Hotels. Der Zusammenschluss vertritt 80 Häuser der gehobenen Klasse. Bis vor wenigen Tagen sei die Situation für die Urlaubshotellerie noch „halbwegs im Lot“ gewesen. Inzwischen beschreibt Wiedenmann die Lage aber als „problematisch bis bedrohlich“, zumal es kaum Buchungen für die Zwischensaison gebe, „die dringend gebraucht werden“. Die behördliche Anordnung zur Schließung von Bergbahnen und Übernachtungsbetrieben sei eine „ganz große Herausforderung“, sagt Elmar Müller von Kleinwalsertal Tourismus. Doch die Sprecher der Tourismusbranche beteuern übereinstimmend: Es gehe in erster Linie darum, die Gesundheit der eigenen Bevölkerung und der Gäste zu schützen. Auf der Lüchle-Alpe im Skigebiet am Walmendingerhorn, oberhalb des Kleinwalsertals, bewirtet Josef Meusburger die Gäste. Er hält die verordneten Schritte zur Eindämmung der Infektion nach eigenen Worten für „übertrieben“. Ab Montag, wenn die Lifte nicht mehr laufen, wird es dort oben ruhiger werden. Gäste werden aber wohl weiter kommen, glaubt Meusburger – Skitourengeher und Wanderer. Und die werde er auch bedienen. Denn: „Das hat mir zumindest bisher noch niemand verboten.“
Viele Bergbahnen werden die durch den verfrühten Saisonschluss gewonnene Zeit dafür nutzen, um die behördlich vorgeschriebenen Revisionsarbeiten durchzuführen. So könne man auch möglichst viele Menschen weiterbeschäftigen, sagte Jörn Homburg von den Oberstdorf/Kleinwalsertal (OK) Bergbahnen.
Auch Freizeitbad Cambomare zu
Im Laufe des gestrigen Nachmittags wurden im Fünf-Miunten-Takt weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens bekannt. Beispielsweise ist in Kempten das Freizeitbad Cambomare ab Samstag bis voraussichtlich 19. April geschlossen. Kurse der Volkshochschule fallen aus. Manche städtische Sporthallen dürfen nicht mehr genutzt werden. Beim Alpenverein gibt es bisher keine Empfehlung an die örtlichen Sektionen, die Kletterhallen zu schließen. Das müsse vor Ort entschieden werden, sagte eine Sprecherin des Hauptvereins in München auf Anfrage. Zudem wurde gestern bekannt, dass in Vorarlberg bis Ende März keine katholischen Gottesdienste stattfinden werden. Ab 27. März soll – je nach Lage – neu entschieden werden.