Olympiasiegerin Lisa Brennauer hat zum Abschluss ihrer erfolgreichen Radsport-Karriere eine Medaille bei den European Championships in München nur knapp verpasst. Nach Gold und Silber auf der Bahn vor Wochenfrist und Rang zwölf beim Zeitfahren auf der Straße lieferte Brennauer im letzten Rennen ihrer Karriere eine bemerkenswerte Leistung ab:
Nach 130 Kilometern durch Oberbayern fuhr die 34-jährige Duracherin nach einem langen Sprint auf der Ludwigstraße im Stadtzentrum von München als Vierte über die Ziellinie. Mit nicht einmal einer Radlänge Vorsprung gewann die Italienerin Rachele Barbieri Bronze. Gold holte (ebenfalls im Fotofinish) Lorena Wiebes aus den Niederlanden, Silber die Weltmeisterin Elisa Balsamo aus Italien.
Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt Lisa Brennauer noch einmal auf ihren letzten Wettkampf zurück, spricht von einem „perfekten Abschluss“ und gewährt Einblicke in ihre Gefühlswelt – seit dem letzten Rennen am Sonntag. Hier die fünf emotionalsten Momente für Brennauer:
- Kein Gefühlswirrwarr im Sattel
Eigentlich hatte Brennauer damit gerechnet, dass bei ihrer Abschiedsvorstellung das Straßenrennen am Abschlusstag das schwierigste aller vier EM-Auftritte wird. Doch es kam ganz anders. „In diesem Rennen ist so viel passiert. Ich musste mich so konzentrieren bei all den Attacken, dass ich gar keine Zeit hatte zu grübeln.“ Im Nachhinein sagt sie: „Das war das beste Straßenrennen, das ich in dieser Saison gefahren bin.“ Als heimliche Team-Kapitänin war sie taktisch immer gefordert. Nichts lähmte ihre Beine. „Ich hab’ die tolle Strecke und die super Stimmung in den Orten voll genießen können.“ Absoluter Wahnsinn sei dann aber das Finale in der Münchener Innenstadt gewesen.

- Die Zieleinfahrt am Odeonsplatz
„Schon bei der ersten Durchfahrt am Odeonsplatz hat’s mich gerissen. Die Stimmung war gigantisch.“ Die Tribünen seien bis obenhin proppenvoll gewesen, die Menschen hätten gejubelt und die Fahrerinnen voller Begeisterung angefeuert. „Es war so unglaublich laut.“ Ihr Plan, sich einzuprägen, wann sie auf der Zielgeraden mit dem Sprint beginnt, ging irgendwie nicht auf. „Die Schilder mit den restlichen Meterangaben waren vor lauter Leuten gar nicht zu erkennen, so viele standen da an der Strecke. Dann hab’ ich halt versucht, mich an den Häusern zu orientieren.“ Die Stimmung im Ziel erzeugt selbst Tage danach noch Gänsehaut. „Es war soooo cool“, schwärmt Brennauer, die sich das Heimspiel in München bewusst für ihren Abschied ausgesucht hatte.
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- Die Verabschiedung ihrer Teamkolleginnen
Nachdem sie als Vierte die Ziellinie überquert hatte, überschlugen sich die Ereignisse – und Brennauer wurde in der Achterbahn der Gefühle mehrfach durchgeschüttelt. „Klar wäre eine Medaille der absolute Traum gewesen, aber da war kein Platz für Enttäuschung.“ Die Teamkolleginnen hätten ihr sofort gratuliert zu diesem tollen vierten Platz, die Eltern, der Bruder und viele langjährige Wegbegleiterinnen „haben mich umarmt und mich beglückwünscht.“ Erste Tränen flossen. „Aber ich habe auch jede Umarmung genossen.“ Noch vor der offiziellen Siegerehrung bekam Brennauer von den den großen Auftritt. Auf der Ziellinie versammelte sich die komplette deutsche Mannschaft, Brennauer bekam als Geschenk ein original Holz-Stück von der Radrennbahn in München-Riem („Das hab’ ich mir so sehr gewünscht. Es wird irgendwo daheim einen Ehrenplatz finden.“). Als all die Anspannung abgefallen war und auf der Videowand ein Kurzfilm mit ihren zahlreichen Karriere-Höhepunkten lief, „bin ich in Tränen ausgebrochen. Wir alle im Team haben diese Momente aber auch genossen. Es war echt wunderschön.“ Ein Abend mit der Mannschaft im Teamhotel in Landsberg mit einem gemeinsamen Essen und dem ein oder anderen Gläschen habe den letzten Wettkampftag in der Karriere Brennauers schön abgerundet.
- Die Ankunft zuhause
„Es braucht sicher noch ein paar Tage, bis ich das alles realisiert habe, was da in München abging“, sagt Brennauer. Als sie aber am Dienstag erstmals wieder ihre Wohnung in Durach betrat und zum ersten Mal nach langer Zeit „niemand um mich rumhatte“, da sei ihr vieles bewusst geworden. „Da kamen richtig viel Emotionen hoch. Und Tränen. Weil Radsport all die letzten Jahre einfach so ein großer Teil von mir war.“ Und nun? Kein Trainingsplan. Kein nächstes Rennen. Vorerst auch kein Urlaub („Ich hatte gar keinen Nerv, da was zu planen.“). Eine ungewohnte Situation für Brennauer und die Erkenntnis: „Es wird schon eine Zeit lang dauern, bis ich da einen neuen Rhythmus gefunden habe.“ Einige PR-Termine stünden noch an, danach die Gespräche mit ihrem Arbeitgeber Bundeswehr, wie es beruflich weitergeht. „Verlockend“ sei auch das Angebot des Bunds Deutscher Radfahrer, ein Traineramt zu übernehmen. „Aber das lass ich jetzt mal alles auf mich zukommen.“
- Botschaft an die Fans und eine Liebeserklärung an ihren Freund
Auch in den sozialen Netzwerken verabschiedet sich Lisa Brennauer mit großen Emotionen: „Danke Radsport“ schreibt sie dort und ergänzt: „Danke für alle Lebenslektionen, fürs Lachen, für die Tränen, für Spaß, Glück und Erfüllung, für Gefühle, lebenslange Freundschaften und zu guter Letzt dafür, dass du es mir ermöglicht hast, die Liebe meines Lebens zu finden.“ Dahinter eine Verlinkung auf das Instagram-Konto ihres Freundes Sebastian Nittke, früher selbst aktiver Radrennfahrer und die letzten Jahre als Mechaniker immer an der Seite von Lisa Brennauer. Jetzt haben beide Zeit und Raum für neue Lebensziele ...
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