2014 in Krasnaja Poljana, einem Dorf 70 Kilometer entfernt von der russischen Olympiastadt Sotschi. Der Abend des 11. Februar hat das Leben dieser Sportlerin verändert, das Ansehen ihrer Sportart und die Reputation ihrer Trainer und Betreuer. Als die damals 22-jährige Carina Vogt vollkommen überraschend die Premiere des olympischen Frauen-Skispringens gewann, sie sich von Katharina Althaus und Gianina Ernst mehr trösten als feiern ließ, da war eine außergewöhnliche Sportlerkarriere früh auf ihrem Höhepunkt. „Vielleicht wäre vieles einfacher und besser gelaufen, wenn ich vor diesem Olympiasieg mal einen Weltcup oder eine WM gewonnen hätte“, sagt Carina Vogt achteinhalb Jahre später, als sie am Freitagmittag in einer Online-Pressekonferenz ihr Karriereende bekannt gibt und offen gesteht: „Ich war mit diesem Triumph vollkommen überfordert.“ Auch der Autor dieser Zeilen verspürt noch heute Mitleid mit einer jungen Sportlerin, die von der medialen Lawine in Sotschi schlichtweg überrollt wurde.
Es dauerte lange, bis Vogt ihre Rolle im deutschen Team und auch in der Öffentlichkeit findet. Geholfen haben ihr dabei vor allem ihre außergewöhnlichen Erfolge. Bei Weltmeisterschaften holte die in Schwäbisch Gmünd geborene Sportlerin fünf Titel (drei im Team, zwei im Einzel), zudem feierte Vogt zwei Siege im Einzel-Weltcup, beide datieren aber aus dem Jahr 2015.
Viel Lob auch aus dem Allgäu
Zuletzt kämpfte sie gegen Verletzungen und mit ihrer Form, was jetzt auch ausschlaggebend für den Rücktritt war: „Ich werde meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht, mir hat zuletzt auch das Selbstvertrauen für richtig große Weiten gefehlt.“ Vogt will nun bei der Bundespolizei ein zweijähriges Aufstiegsstudium absolvieren. Eine Rückkehr zum Skiverband ist nicht ausgeschlossen, Sportdirektor Horst Hüttel versprach: „Dir stehen alle Türen offen.“ Lobeshymnen kommen auch von Vogts früherem Bundestrainer Andreas Bauer aus Oberstdorf, der die 30-Jährige fast ihre ganze Karriere begleitete: „Wir sind durch Dick und Dünn gegangen und haben uns am Ende blind verstanden. Am meisten imponiert hat mir, wie sich Carina durch den Sport und durch ihre Erfolge vom schüchternen Mädchen zu einer selbstbewussten Frau entwickelt hat.“ Einen Makel findet Bauer: „Carina ist eine ganz Große. Aber deutsche Meisterin wurde sie nie. Dafür war sie nicht hungrig genug.“
Der jetzige Bundestrainer Maximilian Mechler sagte: "Glückwunsch zu Deiner großen und erfolgreichen Karriere mit diesen enormen Erfolgen. Ich hab' sie dann ja nur in der Reha erlebt, hätte aber schon eine Möglichkeit gesehen, dass sie noch weitermacht. Aber natürlich gilt es diese Entscheidung zu akzeptieren." Vogt stellte noch einmal klar: "Ich habe diesen Sport gelebt, musste aber feststellen, dass es nicht mehr so funktioniert. Nach den Verletzungen konnte ich mich nicht mehr so überwinden, wie ich es mir gewünscht hatte." Es habe Monate gedauert, bis sie eingesehen habe, dass es vorbei ist mit dem Sport. Dieser habe ihr gelehrt, auch Höhen und Tiefen im privaten Leben zu meistern. "Der Sport war für mich immer ein Anker, eine Konstante in meinem Leben", sagte Vogt.
Nach einem Kreuzbandriss und weiteren Verletzungen kam sie zuletzt nicht mehr an ihre früheren Leistungen heran. Bei den Olympischen Winterspielen in China stand sie in diesem Jahr nicht im Kader.
"Oberstdorf werde ich weniger vermissen"
Viel Zeit in ihrer aktiven Karriere verbrachte die Athletin vom SC Degenfeld auch im Allgäu, vor allem am Bundesstützpunkt in Oberstdorf. Auf die Frage, ob sie denn auch Oberstdorf als ihre zweite Heimat vermissen werde, sagte Vogt: "Zweite Heimat würde ich Oberstdorf jetzt nicht nennen. Es war eher gezwungenermaßen, weil dort viele Lehrgangsmaßnahmen stattgefunden haben. Aber man muss schon ehrlich sein: Für solche Lehrgänge ist Oberstdorf traumhaft. die Bedingungen waren immer sehr gut. Es war auch immer eine große Freude, dort bei den Heim-Weltcups zu springen. Die Modernisierung der Anlagen dort war ein großer Gewinn. Oberstdorf an sich werde ich jetzt weniger vermissen, sondern eher die Leute, die Oberstdorf für mich verkörpern."
Fakten zur Karriere von Carina Vogt:
- Erster FIS-Wettkampf: 15. August 2004 in Meinerzhagen. Als Zwölfjährige Rang 45 von der Normalschanze
- Erster Weltcup: 7. Januar 2012 in Hinterzarten: Rang 35 von der Normalschanze
- Erster WM-Start: 22. Februar 2013 in Val di Fiemme/Predazzo (Italien): Rang fünf von der Normalschanze
- Erster Olympia-Start: 11. Februar 2014 in Sotschi (Russland): Goldmedaille von der Normalschanze
- Weltcup-Bilanz: 124 Starts, 22 Podestplätze, zwei Siege
- Heim-Weltcups: 2015 war ihr ein Heimsieg in Oberstdorf nicht vergönnt. Zweimal wurde sie Zweite, knapp hinter der Österreicherin Daniela Iraschko-Stolz.
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