Nach dem Einmarsch in die Ukraine wird auch im Allgäu der Ruf nach Sanktionen gegen Russland immer lauter. So plädierte Hugo Wirthensohn, Vorsitzender des Holzforums Allgäu, vor einigen Tagen öffentlich dafür, kein Holz mehr aus Allgäuer Wäldern an das Sägewerk Ilim Timber in Landsberg zu liefern. Stehe dahinter doch ein russischer Konzern mit Sitz in St. Petersburg. Am Freitag zog Wirthensohn den Boykottaufruf überraschend zurück: Die „Ilim Timber Bavaria GmbH“ habe nachgewiesen, keine Tochter eines russischen Konzerns oder einer Gesellschaft zu sein, sondern zu einem Schweizer Konzern zu gehören. Auch gebe es keine Geschäftsbeziehungen zu russischen Unternehmen. Mehr noch: Ilim Timber verurteile den russischen Angriffskrieg ausdrücklich.
Das Landsberger Sägewerk beschäftigt nach eigenen Angaben über 350 Mitarbeiter. Verarbeitet werden jährlich etwa 800.000 Kubikmeter Holz, über 300.000 Kubikmeter davon stammen laut Wirthensohn aus Allgäuer Staats- und Privatwäldern. Die fertige Sägeware aus Landsberg geht nach seiner Schilderung zum Teil an US-Abnehmer. Ilim, das den Standort Landsberg vor gut zehn Jahren von der österreichischen Klausner-Gruppe übernommen hatte, wolle aber auch verstärkt den Allgäuer Markt erschließen. So versorgt das Unternehmen laut Wirthensohn den Biomassehof Allgäu mit Sägemehl für die Pelletsproduktion.
Wirthensohn ist seit Jahren einer der bestvernetzten Holz- und Forstexperten der Region. Er ist nicht nur Vorsitzender des Holzforums Allgäu (ein Verbund von über 100 regionalen Vertretern der Holzwirtschaft). Der ehemalige Forstbeamte und Kommunalpolitiker gehört auch dem Leutkircher Holzvermarktungsverbund Insilva an und ist Aufsichtsratschef der Genossenschaft „Wald-Säge Fuchstal eG“ (zwischen Landsberg und Buchloe). In dieser haben sich etwa 40.000 Waldbesitzer aus 22 Organisationen zusammengeschlossen.
Ausländische Konzerne versuchten, neue Großsägereien im Allgäu zu etablieren
In den vergangenen Jahren gab es im Allgäu immer wieder Versuche ausländischer Konzerne, neue Großsägereien zu etablieren. Als Standort war unter anderem das frühere Munitionsdepot Urlau zwischen Altusried und Leutkirch vorgesehen. Die ambitionierten Pläne scheiterten, stattdessen wurde dort der Center Park Allgäu errichtet.
Auch Wirthensohn plädiert schon lange dafür, eine Großsägerei in der Region aufzubauen, die von Allgäuer Forstbesitzern, Firmen und Verbänden betrieben wird. „So ließe sich ein Gegenpol zu den Konzernen schaffen und die Wertschöpfung für die Allgäuer Holzwirtschaft erhöhen.“ Auf diesem Weg hält er seit kurzem sogar eine Kooperation mit dem Ilim-Sägewerk in Landsberg für denkbar. „Voraussetzung wäre eine Beteiligung mit mindestens 50 Prozent.“ Erste Gespräche seien bereits nächste Woche geplant.
Das nötige Kapital – Wirthensohn geht von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag aus – ließe sich durch eine große Genossenschaft zusammentragen, an der sich die 40.000 Waldbesitzer der Region, aber auch Sägereien und Handwerker beteiligen. „Natürlich bräuchte man auch Darlehen und eine Förderung durch den Freistaat.“
Kritik wird erwartet wegen russischer Wurzeln von Ilim Timber
Wirthensohn ist klar, dass eine Kooperation mit „Ilim Timber Bavaria“ nicht ohne Kritik bleiben werde, habe das Unternehmen doch ungeachtet der aktuellen Besitzverhältnisse russische Wurzeln. Die Geschäftsführung des Ilim-Standorts in Landsberg hatte vor wenigen Tagen in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die beiden deutschen Gesellschaften weder Tochtergesellschaften eines russischen Konzerns beziehungsweise einer russischen Gesellschaft seien, noch dass es Lieferanten- oder Kundenbeziehungen zu russischen Unternehmen gebe. „Ilim Timber Germany“ lehne jede Form von Gewalt sowie die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts und die Verletzung der staatlichen Souveränität ab. Für einen Angriffskrieg gebe es keine Rechtfertigung. Außerdem habe die Geschäftsführung der beiden deutschen Standorte Landsberg und Wismar mit Bezug zum Ukraine-Krieg gegenüber den eigenen Geschäftspartnern Stellung bezogen. Dabei habe das Unternehmen betont, man sei sich seiner „gesellschaftlichen und humanistischen Verantwortung“ bewusst. Es gebe die klare Forderung, die kriegerischen Handlungen in der Ukraine zu stoppen, zudem beteilige sich Ilim Timber an Projekten, die notleidenden Menschen der Ukraine helfen.