„Und in den Wald gehe ich, um meinen Verstand zu verlieren und meine Seele zu finden“, sagte einst John Muir, schottisch-US-amerikanischer Universalgelehrter. Was meint er damit? Ermöglicht der Wald uns, vom Alltag abzuschalten und zu sich selbst zu finden? Trends wie das "Waldbaden" haben wohl genau das zum Ziel. Und noch viel mehr: Das Erlebnis im Wald soll nicht nur persönlich bereichernd, sondern auch physisch sowie psychisch gesund sein. Wir haben mit einem Allgäuer Waldexperten gesprochen, der erklärt, was den Wald (für Menschen) so besonders macht.
Was macht der Wald mit uns Menschen?
Für Rick Frommknecht, auch bekannt als der Allgäu Mogli, spielt vor allem die beruhigende Wirkung des Waldes eine entscheidende Rolle. „Heutzutage sind die Menschen im Alltag hochfrequent unterwegs. Der Wald schwingt in einer ruhigeren Frequenz und erdet uns damit“, sagt der 33-Jährige Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Er selbst bevorzuge jedoch die einfachere Bezeichnung „Naturmensch“.
Frommknecht kennt die Wälder rund um Oberreute (Landkreis Lindau) wie seine „linke Westentasche“. Der Wald ist sein Wohlfühlort. „Unsere Gesellschaft hat verlernt, mit dem Wald zu leben und diesen zu schätzen.“ Das möchte der 33-Jährige, der einen Fahrradladen betreibt, ändern und bietet daher seit einigen Jahren Naturseminare und Ferienfreizeiten im Wald an, um sein Wissen an andere Menschen weiterzugeben.

Im Wald wieder zu mehr Ruhe finden
„Naturaffin war ich schon immer“, sagt der Allgäuer, der viel Zeit im Wald verbringt, wo er auch Pilze und Kräuter sammelt. Eine ganze Weile habe er hauptberuflich in der Industrie gearbeitet und gemerkt, dass er diese Tätigkeit nicht mit seinen Werten vereinbaren kann. „Also habe ich mich gefragt: Was kann ich tun, um Mutter Erde etwas zurückzugeben?“ Er machte seine Leidenschaft zum Beruf und lädt heutzutage Menschen dazu ein, „den Umgang mit dem Wald wieder zu lernen.“
Seinen Seminarteilnehmern lehrt er nicht nur, die Pflanzen- und Pilzvielfalt im Wald zu nutzen, sondern auch mithilfe des Waldes wieder zu mehr innerer Ruhe zu finden. „Das ganze Thema Gesundheit ist so groß geworden“, sagt der 33-Jährige. Mittlerweile habe er doppelt so viele Anmeldungen zu seinen Naturseminaren wie im Vorjahr. „Dass das Interesse so groß ist, hätte ich selbst nicht gedacht.“

Regelmäßige Waldbesuche
Wer bisher kaum Berührungspunkte mit dem Wald hatte, dem helfe es laut Frommknecht, zu Beginn mindestens einmal in der Woche eine Stunde im Wald zu verbringen. Wichtig sei, die Waldbesuche regelmäßig zu machen und bewusst auch mal allein loszuziehen. „Es reicht schon, im Wald einfach mal die Augen zu schließen und zu horchen“, sagt der Naturkenner. Noch besser spüre man die Wirkung des Waldes, wenn man sich ins Nadelwerk setzt. „Jeder kann im Wald seinen persönlichen Ruheplatz finden“, sagt der 33-Jährige. An diesen könne man dann regelmäßig kommen, um sich eine Auszeit zu nehmen und zu sehen, was sich dort im Laufe der Zeit verändert.
Wer sich regelmäßig im Wald aufhält, wird laut Frommknecht die „bezaubernde Wirkung des Waldes“ zu spüren bekommen. Denn der Wald schaffe es, „bei Erwachsenen das Kindliche hervorzuholen“, so der Allgäuer. Gerade auch in von Unsicherheiten und Angst geprägten Zeiten wie der Corona-Krise könnten Aufenthalte im Wald helfen. „Der Wald beantwortet viele Fragen, weil man sich bewusst Zeit für sich selbst nimmt. Zum Nachdenken, zum Reflektieren und um fernab des hektischen Alltags wieder zu sich selbst zu finden.“

Woher kommt die positive Wirkung des Waldes auf den Menschen?
Die Ruhe, das frische Grün und die gute Luft sind laut eines Berichts der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU) Eindrücke, die Menschen mit dem Wald in Verbindung bringen. Und genau diese sollen ausschlaggebend dafür sein, dass man im Wald Erholung und Entspannung findet.
- Physiologische Wirkung
Bei einem Aufenthalt im Wald sollen sich der Blutdruck und Puls senken. Zudem reduzierten sich die Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin und das Nervensystem schalte auf Regeneration um. Das liege daran, dass in der Waldluft sekundäre Pflanzenstoffe, die sogenannten Phytonzide, zu finden sind. Bei einem Aufenthalt im Wald würden sie über die Lunge aufgenommen. Untersuchungen zufolge sollen diese die Aktivität der natürlichen Killerzellen im Körper anregen, die teilweise noch mehrere Tage nach dem Waldbesuch verstärkt aktiv sind.
- Psychologische Wirkung
Positive Emotionen, wie beispielsweise Erfrischung, Entspanntheit und Vitalität, können sich durch einen Waldbesuch offenbar steigern lassen. Therapieprogramme mit depressiven Patienten sollen zudem größere Erfolge gezeigt haben, wenn sie im Wald anstatt im Krankenhaus durchgeführt wurden.
Weitere positive Effekte durch die Natur
- Laut dem Bericht soll es Menschen im Wald außerdem leichter fallen, persönliche Probleme zu reflektieren.
- Außerdem stärke die natürliche Umgebungen das Gefühl von Sinnhaftigkeit.
- Nicht außer Acht zu lassen sei zudem, dass die Natur den Wunsch nach mehr Bewegung stärkt. Und die ist bekanntermaßen ebenfalls ein entscheidender Faktor für die menschliche Gesundheit.
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