Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes und Pedelecs steigt in unserer Region. Das bestätigt die Polizei. Viele Einheimische und Allgäu-Urlauber setzen beim Radfahren mittlerweile auf die Trittunterstützung. Dementsprechend oft hat die Polizei im Allgäu und den Landkreisen Günzburg und Neu-Ulm, also dem Gebiet des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, auch damit zu tun.
Laut Sprecher Christian Lindstedt hat es bis Anfang August bereits 180 Pedelec-Unfälle gegeben. Und zwar ohne Fremdeinwirkung, wie die Polizei sagt, also ohne dass ein weiterer Verkehrsteilnehmer beteiligt gewesen ist. „Die Zahl hat deutlich zugenommen“, bilanziert Lindstedt. Dabei wurden 52 Radler schwer verletzt. Die häufigsten Ursachen: nicht angepasste Geschwindigkeit und Alkoholeinfluss. Und Bordsteine, die zu Hindernissen werden.
"Radfahren kann jedes Kind, E-Bike-Fahren muss man lernen"
Lutz Bäucker, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Kempten-Oberallgäu, ist dieses Problem bekannt: „Fahrradfahren kann jedes Kind, E-Bike fahren muss man lernen“, sagt er. Mit E-Bike meint Lutz Bäucker in diesem Fall Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind laut ADFC Fahrräder, die bei Tritt in die Pedale von einem Motor bis zur Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt werden.
Unterschied zwischen Pedelec und E-Bike
Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radler auch ohne Treten bis 25 Kilometer pro Stunde unterstützt. Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und Mofa-Führerschein sind für eine Fahrt nötig. Rechtlich gibt es also Unterschiede zwischen den beiden Rad-Typen, im Alltag wird nach Angaben des ADFC meist aber nur der Begriff E-Bike verwendet.
- Lesen Sie auch: Warum das Allgäu seit Jahren für Radfahrer hochattraktiv ist
Scheibenbremsen greifen kräftiger
Immer mehr Radfahrer im Allgäu wechseln auf das Pedelec, sagt Bäucker: „Auch viele junge Menschen.“ Für die, die Motor-Unterstützung beim Treten noch nicht kennen, sei eine Fahrt eine Herausforderung. Beim Anfahren etwa könnten sie nach vorne katapultiert werden. Zudem verfügten die Pedelecs meist über Scheiben-Bremsen: „Die greifen kräftiger als normale.“ Problematisch ist laut Bäucker auch, dass die Pedelecs in der Regel mehr als zehn Kilogramm wiegen. Dadurch sei zum Beispiel das Kurvenverhalten anders als bei leichteren Rädern.
Ältere Menschen schätzen Geschwindigkeit von Pedelecs oft falsch ein
Ältere Menschen schätzten die Geschwindigkeit von Pedelecs oft falsch ein, weil sie nicht mit ihnen vertraut seien, sagt Polizeisprecher Lindstedt. Ein Grund dafür sei, dass sie sich für ein hohes Tempo nicht verausgaben müssten. „Viele verreißen den Lenker oder ecken am Bordstein an.“ Aber es gebe nicht nur Stürze ohne Fremdeinwirkung.
Schnelle Radler: Autofahrern fehlen die Erfahrungswerte
Eine Gefahr ist laut Lindstedt auch, dass viele Radfahrer inzwischen durch die Motor-Unterstützung schneller sind als Radler ohne Motorhilfe. Viele Autofahrer aber hätten sich noch nicht an so schnelle Radler gewöhnt und schätzten deren Geschwindigkeit falsch ein. Zumal nicht sofort erkennbar sei, ob es sich um ein normales Rad oder ein Pedelec handle. „Vielen Autofahrern fehlen die Erfahrungswerte“, sagt Lindstedt.
930 Verkehrsunfälle mit Fahrrädern in diesem Jahr bereits
Insgesamt hat es heuer in der Region 930 Verkehrsunfälle mit Fahrrädern gegeben, sagt Lindstedt, dazu zählen auch die Pedelec-Unfälle. Stürze ohne Fremdeinwirkung machen davon knapp die Hälfte aus. „Das Dunkelfeld ist relativ hoch.“ Denn wenn kein anderer Verkehrsteilnehmer involviert sei, würden viele Unfälle nicht gemeldet. Lindstedt rät Pedelecfahrern ganz besonders zum Tragen eines Helmes – wegen des noch höheren Tempos: „Die Zahl der Schwerverletzten nimmt zu.“
Bäucker und Lindstedt empfehlen Radlern, ein Fahrsicherheits-Training zu machen, wenn sie auf ein Pedelec umsteigen. Für manche klinge das vielleicht komisch und sie dächten: „Ich kann eigentlich Fahrradfahren“, sagt Lindstedt. Aber die Geschwindigkeit der Gefährte sei nicht zu unterschätzen.
Was sind die Unterschiede zwischen Pedelecs, Schnell-Pedelecs und E-Bikes?
Der ADFC erklärt es so:
- Pedelecs, das steht für Pedal Electric Cycles: Fahrer müssen selbst treten, der Motor hilft bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Wer schneller fahren will, muss stärker in die Pedale treten. Laut ADFC sind Pedelecs dem Fahrrad rechtlich gleichgestellt. Es sind weder ein Versicherungskennzeichen noch eine Zulassung und ein Führerschein nötig. 90 Prozent aller Elektroräder sind Pedelecs, heißt es beim ADFC.
- Schnelle Pedelecs / S-Klasse: Sie gelten als Kleinkrafträder. Zwar muss man auch hier in die Pedale treten, damit die Räder losfahren, allerdings schaltet der Motor erst bei 45 km/h ab. Die S-Pedelecs benötigen ein Versicherungskennzeichen. Fahrer müssen mindestens 15 Jahre alt sein und einen Führerschein Klasse AM haben. Es gilt Helmpflicht. Auf Radwegen dürfen sie nicht fahren - laut ADFC auch dann nicht, wenn sie für Mofas oder E-Bikes frei gegeben sind.
- E-Bikes: Sie erreichen ohne körperliche Hilfe eine Geschwindigkeit von 25 km/h. Auch hier ist ein Versicherungskennzeichen Pflicht. Fahrer müssen entweder Mofa-Prüfbescheinigung haben oder vor dem 1. April 1965 geboren worden sein. Sie dürfen nur dann auf Radwegen fahren, wenn ein Schild ihn für Mofa oder E-Bikes freigibt. (abg)