Michael Ruppert, 1. Vorsitzender des Fischertagsvereins:
"Wir sind überrascht und enttäuscht", sagt Michael Ruppert, Vorsitzender des Fischertagsvereins über das Urteil am Amtsgericht Memmingen. Gerade die von Richterin Erdt als Ablehnungsgrund genannte Gemeinnützigkeit habe mit der Sache aus seiner Sicht nichts zu tun. Das Urteil schränkt aus seiner Sicht die Vereinsautonomie „deutlich“ ein.
Der Verein wolle nun das schriftliche Urteil abwarten und dann im etwa 60-köpfigen Vereinsausschuss - ihm gehören neben dem Vorstand unter anderem alle Leiter der über 30 Vereinsgruppen an - entscheiden, ob Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werde. Dazu hat der Verein vier Wochen Zeit. Er selbst schließe nicht aus, in die nächste Instanz zu gehen. Das müssten aber die Vereinsgremien entscheiden. Immerhin sei Klägerin Christiane Renz bei zwei Delegiertenversammlungen – dem höchsten Entscheidungsgremium des Vereins – mit ihren Anträgen auf Satzungsänderung gescheitert. Eine Mehrheit von jeweils über 90 Prozent hatte es abgelehnt, dass auch Frauen den Stadtbach ausfischen dürfen.
Bisher kostete der Rechtsstreit den Verein bereits eine fünfstellige Summe – eine weitere Instanz vorm Landgericht wird mutmaßlich nicht weniger kosten. Auf die Frage, ob er wegen dieser Zusatzausgaben nicht sogar die Delegiertenversammlung entscheiden lassen wolle, sagt Ruppert: „Eine Delegiertenversammlung wäre schön, ist aber wegen der Corona-Einschränkungen derzeit leider nicht möglich.“
Christiane Renz, Klägerin:
Nach dem Urteil reckte Klägerin Christiane Renz die Fäuste in die Höhe und jubelte. Anschließend sagt sie: "Endlich gibt es einen Tick mehr Gleichberechtigung in Memmingen".
Renz kündigte an, beim nächsten Fischertag im Juli 2021 den Stadtbach mitausfischen zu wollen. "Hoffentlich machen noch viele andere Mädchen und Frauen aus dem Fischertagsverein mit!" Sie erwarte jedoch nicht hunderte von Frauen: "Sie müssen nicht mitmachen, aber sie dürfen!"
Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder:
"Das Thema wurde in den vergangenen Jahren in Memmingen emotional diskutiert und hat die Menschen in der Stadt gespalten. Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet. Das Urteil ist eine richtungsweisende Entscheidung. Unser Heimatfest, der Memminger Fischertag, wird sich verändern, sollte das Urteil rechtskräftig werden." Wie es sich ändern wird, wolle er aber nicht bewerten, sagt das Stadtoberhaupt. Er sei selbst seit fast 50 Jahren Stadtbachfischer und werde auch weiterhin in den Bach "jucken" - ob mit oder oder Frauen. Zwar habe er bei einer Fischerversammlung im Vorfeld eines Fischertags mal gesagt, dass während seiner Amtszeit keine Frauen in den Stadtbach kämen - aber das sei seinerzeit nicht ganz ernst gemeint gewesen, sondern in einem "zugegeben etwas flapsigen Grußwort" geschehen. "Da darf man nicht alles auf die Goldwaage legen", so Schilder.
Claudia Fuchs, Frauenbeautragte der Stadt Memmingen:
"Das heutige Urteil beendet eine lange und teilweise sehr emotional geführte Diskussion. Vordringliche Themen der Gleichstellungsarbeit wie Häusliche Gewalt, Chancengleichheit im Beruf, gerechte Bezahlung, um nur einige zu nennen, wurden davon völlig in den Hintergrund gedrängt.
Nimmt man einmal die „Memminger Brille“ ab und schaut auf die Kernaussage des Urteils, dann fällt der Blick auf eine faire und unaufgeregte Gleichbehandlung von Männern und Frauen."
Anna Huslik, 3. Vorsitzende Fischertagsverein Memmingen
"Mit dem Urteil wurde unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung mit einer Tradition gebrochen. Das ist schade, denn der Fischertag ist prägend für Memmingen. Mit dem Urteil wird die Vereinsautonomie in Frage gestellt – dabei lebt auch der Fischertagsverein von seinen Mitgliedern. Und eine klare Mehrheit von ihnen hat sich dagegen ausgesprochen, dass Frauen in den Stadtbach jucken dürfen. Ich selbst habe auch nicht das Bedürfnis, in den Stadtbach zu jucken und finde es völlig in Ordnung, dass das nur Männer machen. Frauen haben durchaus auch ohne das Reinjucken Spaß am Fischertag.
Das sagt ein Autor aus unserer Redaktion zum Thema.
