Der Tierskandal im Unterallgäu, in den inzwischen drei große landwirtschaftliche Betriebe involviert sind, beschäftigt weiter die Behörden. Gestern nahmen etwa 50 Polizeibeamte, zwei Staatsanwälte aus Memmingen sowie Veterinäre des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einen Betrieb im Unterallgäuer Bad Grönenbach unter die Lupe. Durchsucht wurde auch eine Hofstelle im Oberallgäuer Altusried-Krugzell, die zu dem landwirtschaftlichen Unternehmen gehört. Dem Vernehmen nach hält der Großbetrieb insgesamt 1700 bis 1800 Rinder.
Bei dem gestern durchsuchten Großbetrieb waren Mitarbeiter des Unterallgäuer Veterinäramtes sowie Tierärzte des LGL Ende Juli auf Verhältnisse gestoßen, die „mit dem Tierwohl nicht vereinbar“ sind, sagt Polizei-Pressesprecher Christian Eckel. Daraufhin hatte die Memminger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tierquälerei eingeleitet.
Mit Durchsuchungsbeschlüssen in der Tasche rückten die Ermittler gestern Morgen in den Betriebsstätten in Bad Grönenbach sowie in Altusried an. Dabei sei es aber nicht darum gegangen, Hinweise auf mögliche Tierquälereien zu dokumentieren, sagte Eckel. Vielmehr seien Unterlagen und elektronische Dateien über den Betriebsablauf in dem Großunternehmen gesichert worden. „Beispielsweise geht es darum, wie Verantwortlichkeiten geregelt sind, wie das Personal geschult wurde und welches Tier wann tierärztlich behandelt wurde“, erläuterte Eckel. Ziel sei es gewesen, sowohl be- als auch entlastendes Material zu sammeln.
Nach aktuellem Ermittlungsstand sind die mutmaßlichen Verstöße gegen den Tierschutz laut Staatsanwaltschaft nicht so gravierend wie beim ersten Betrieb, in dem Videoaufnahmen eines Tierschutzvereins Grausamkeiten gegen Rinder belegen. Wann die Ermittlungen in den beiden Fällen abgeschlossen sein werden, ist nach Auskunft der Memminger Staatsanwaltschaft unklar. Das gilt laut Leitendem Oberstaatsanwalt Dr. Christoph Ebert auch für ein drittes Verfahren, das sich noch im Stadium der Vorermittlungen befindet. Ebert sagte, derzeit erhalte man vermehrt Hinweise über angebliche Tierquälereien aus der Bevölkerung.
Eine Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) machte gestern keine weiteren Angaben über die jüngste Durchsuchungsaktion. Sie verwies auf die Zuständigkeit des Unterallgäuer Landratsamtes. Dort sagte eine Sprecherin lediglich: „Solange die Ermittlungen laufen, gilt die Unschuldsvermutung.“
Konkrete Auskünfte gab es gestern dagegen von Andreas Kaenders, Sprecher des Oberallgäuer Landratsamtes. Die Altusrieder Hofstelle, in der etwa 90 Jungrinder gehalten werden, war demnach am 24. Juli von Mitarbeitern des Oberallgäuer Veterinäramtes sowie des LGL kontrolliert worden. „Dabei gab es in fünf Fällen Beanstandungen“, sagt Kaenders. Diese seien „nicht gravierend“ gewesen. So hätten zwei Tiere gelahmt, in einem Fall sei eine Klauenverletzung, in einem weiteren eine Hornverletzung festgestellt worden. Eine weitere Kontrolle habe es seitdem nicht gegeben.
Zwischen 2016 und 2019 habe das Veterinäramt die Hofstelle einmal jährlich begutachtet. „Dabei gab es keine Beanstandungen“, sagt Kaenders. Landrat Anton Klotz stuft die jüngsten Beanstandungen als „absolut durchschnittlich für einen Bestand dieser Größe“ ein. Im Oberallgäu würden von den Veterinären (5,75 Vollzeitstellen) und deren Assistenten (2,3 Vollzeit-Stellen) jährlich 110 Kontrollen durchgeführt. Wo und wie oft kontrolliert werde, gebe das Bayerische Verbraucherschutzministerium exakt vor. In den vergangenen Jahren sei im Landkreis „eine verschwindend geringe Zahl“ gravierender Tierschutzverstöße festgestellt worden. Was Klotz zur Überzeugung bringt: „Man muss die Kirche im Dorf lassen. Die überwiegende Zahl der 1800 Rinderhalter im Oberallgäu geht verantwortungsvoll mit Tieren um.“