Es ist ein kleiner, schmaler Schriftzug auf ihrem linken Arm. Die Bedeutung ist für sie aber tiefer als der Nadelstich, den der Tätowierer gesetzt hat: „You can“. Sie hat es sich zeichnen lassen, nachdem sie sich im Januar 2020 Jahr in einem Testspiel für den SC Freiburg einen Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen hatte. Für manchen bedeutet das das Ende der Fußball-Karriere. Nicht für Verena Wieder. „Du schaffst es“, zeigte ihr das Tattoo jeden Tag. Sie hat es geschafft. Nach einem Wechsel zum Frauen-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen steht die 21-Jährige aus Thalhofen wieder auf dem Platz.
Und so wie der Spruch in die Zukunft gerichtet ist, so sieht sich auch Verena Wieder als vorausschauender Typ. Sicher, manchmal denkt sie zurück. An ihre beiden Europameister-Titel mit der U 17-Nationalmannschaft, an Champions-League-Spiele mit dem FC Bayern, an gute Zeiten beim SC Freiburg – und vor allem an die Freundschaften, die sie geknüpft hat. Besonders an die mit Sydney Lohmann, die sie von den Jugendnationalmannschaften her kennt und von ihrer gemeinsamen Zeit bei den Bayern.
Nationalmannschaft ist Wieders Ziel
Sydney Lohmann ist inzwischen dort, wo Verena Wieder hin will: in der deutschen Nationalmannschaft. Bis dahin liegt noch ein langer Weg vor ihr, der nicht erneut von Verletzungen geprägt sein soll. Denn davon hat sie wahrlich genug erlitten.
Vertrag läuft noch ein Jahr
Im Breisgau war es zunächst eine Verletzung am Fuß, dann im Januar 2020 der Kreuzbandriss. Und trotzdem hat Bayer Leverkusen die Mittelfeldspielerin verpflichtet. Für die Allgäuerin ist der Verein „eine coole Adresse, ich hatte Lust darauf“. Die Werkself wäre fast aus der Bundesliga abgestiegen, krempelte daraufhin vieles um und setzt auf junge Talente wie Verena Wieder. Die sieht in der Verpflichtung trotz Verletzung einen enormen Vertrauensvorschuss. Vertrauen, das sie mit guter Leistung zurückzahlen will. Ein Jahr lang läuft ihr Vertrag noch.
Großteil der Pause in der Heimat verbracht
Bis zu ihren Einsätzen musste sie aber erst einmal wieder auf die Beine kommen. Bei der Operation hatten die Ärzte auch einen Knorpelschaden im Knie festgestellt und den gleich mitbehoben. Es folgten neun Monate Pause. Ein halbes Jahr verbrachte sie daheim in Thalhofen. Sie musste zunächst viel liegen, sechs bis acht Stunden täglich bewegte dabei eine Spezialschiene ihr Knie. Währenddessen hielten ihre Brüder Maximilian und Felix sie bei Laune. Meist mit Gesellschaftsspielen. Zur Reha fuhr sie zunächst nach Marktoberdorf zu Martin Ammersinn.
Verena Wieder bringt Profisport und Fernstudium unter einen Hut
Die lange Zeit hatte aber auch Vorteile, sagte sie. So konnte sie sich intensiver auf ihr Sportmanagement-Studium konzentrieren. Es ist ein Fernstudium, weshalb sie zeitlich flexibel ist und sogar ihre Prüfungen frei einteilen kann. „Das kommt mir als Leistungssportlerin sehr entgegen.“ Zum Beispiel bei Turnieren oder englischen Wochen mit zwei bis drei Spielen in sieben Tagen. Dabei zahlt sich aus, dass Verena Wieder es von Jugend auf an gewohnt ist, Sport und Lernen unter einen Hut zu bringen. Sie hat gelernt, sich richtig zu organisieren.
Reha zusammen mit Julian Baumgartlinger
Die weiteren Monate war sie zur Reha in Leverkusen. Wenn sie von den Möglichkeiten und der Betreuung dort erzählt, gerät sie regelrecht ins Schwärmen. „Es sind dieselben Mediziner wie bei den Männern, die uns betreuen“, sagt sie und erinnert sich dabei an Julian Baumgartlinger. Der Österreicher hat mit ihr zusammen die Reha absolviert und stand nun bei der Europameisterschaft wieder in der Nationalelf.
Nach langer Pause feierte Verena Wieder ihr Comeback auf dem Platz – bis im März der Meniskusriss, diesmal im linken Knie. „Die Physiotherapeuten und die medizinische Abteilung haben alles daran gesetzt, dass ich wieder fit werde. Das war einfach super“, sagt sie. Und tatsächlich: Vier Wochen später zum letzten Saisonspiel wurde sie für 70 Minuten eingesetzt. Leverkusen beendete die Saison auf Platz fünf. Das sei zwar ein schöner Erfolg nach der verkorksten Spielzeit davor, für sie persönlich aber zweitrangig. Für sie stand etwas anderes im Vordergrund: „Ich habe gesehen, mein Körper funktioniert wieder. Ich bin wieder gesund.“ Das gibt Auftrieb.
Verletzungspause war lehrreiche
Von der Psyche her war die schwere Zeit für Verena Wieder auf jeden Fall lehrreich. „Ich brauchte eine hohe Eigenmotivation. Es war eine tägliche Herausforderung. Aber man reißt sich zusammen und wächst auch daran. Ich gehe auch anders ins Training. Früher gab es Momente, da hatte ich nicht viel Lust. Heute sehe ich es als Wertschätzung, dass es mir mein Körper ermöglicht, trainieren zu dürfen.“
Gesund bleiben ist das A und O
Auch deshalb freut sich die 21-Jährige auf die Vorbereitung mit dem Trainingslager im Westerwald, bevor Ende August die neue Saison beginnt. Dabei legt sie ihren Fokus darauf, endlich wieder eine komplette Spielzeit zu schaffen, sich vielleicht sogar für die Nationalmannschaft zu empfehlen, mit Leverkusen möglichst nach Bayern München und Wolfsburg die Nummer drei in Deutschland zu werden – vor allem aber, gesund zu bleiben: „Es steht und fällt alles mit der Gesundheit.“ Dabei hilft ihr das Motto auf ihrem Arm: „You can – Du schaffst das!“
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