Ortstermin am vergangenen Mittwoch: Gut vier Stunden Aufstieg sind es aus Holzgau im Lechtal auf die Schwarze Milz, jenen letzten kleinen Gletscherrest in den Allgäuer Alpen. Der liegt zwar bereits auf Tiroler Boden, zählt aber noch zu den Allgäuer Alpen. Hier, auf 2400 Metern Höhe unterhalb der 2645 Meter hohen Mädelegabel und der Hochfrottspitze, hat sich ein letzter Rest ewigen Eises gehalten – gewissermaßen ein Überbleibsel aus der Eiszeit.
Doch von ewigem Eis zu sprechen, trifft die Sache eigentlich nicht mehr. Nach Einschätzung von Gletscherforscher Dr. Christoph Mayer von der bayerischen Akademie der Wissenschaften wird der auch als Schwarzmilzferner bezeichnete Gletscherrest in wenigen Jahren verschwunden sein. Das prognostizierte Mayer zumindest noch im vergangenen Herbst, als die Schwarze Milz auf ein Minimum zusammengeschmolzen war. Da war kein hell leuchtendes ewiges Eis mehr zu sehen, sondern grau-schwarze Eisreste inmitten von Geröll und Felsen. Und jetzt das: Kurz bevor der kalendarische Sommer 2019 beginnt, liegt der Schnee hier noch mehrere Meter hoch in der Mulde, die früher einmal ganz eisbedeckt war. Im Schnee sind noch frische Spuren von Skitourengehern. Nach Angaben der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) starten die seit Jahren stark zurückgehenden Gletscher in den österreichischen Alpen mit überdurchschnittlich viel Schnee in die Sommersaison. In den Allgäuer Hochalpen liegt so viel Schnee, dass die meisten Hütten-Verbindungswege noch nicht empfohlen werden. „Für Hochtouren im schneebedeckten Gelände sind entsprechende Erfahrung, Ortskenntnis und Ausrüstung Grundvoraussetzung“, heißt es von der Alpininfo Oberstdorf.
Jetzt immer noch eine fast geschlossene Schneedecke in den Hochlagen vor allem an Nordseiten: Das muss sich doch positiv auf einen Ferner wie die Schwarze Milz auswirken. Doch für die langfristige Entwicklung sei die Witterung im Sommer wichtiger als im Winter, sagt ZAMG-Gletscherforscher Anton Neureiter. Denn eine frische, weiße Schneedecke auf dem Eis reflektiert einen Großteil der Sonnenstrahlung. Gletschereis ohne Schneeauflage, das dunkel ist und auf dem dann häufig Geröll liegt, nimmt mehr Sonneneinstrahlung auf. Dies führt zur Erwärmung und zum beschleunigten Abschmelzen des Eises vor allem im August und September. Entscheidend ist zudem, ob Kaltlufteinbrüche im Sommer in den Hochlagen Schnee oder Regen bringen. Eine frisch gefallene weiße Schneedecke im Sommer reflektiert das Sonnenlicht zu nahezu 100 Prozent und kann den Gletscher mehrere Tage lang vor weiterem Eissubstanz-Verlust schützen.
Der schneereiche Winter beschert der Schwarzen Milz wohl nur eine kurze Verschnaufpause. Vielleicht wird der Verlust an Eismasse etwas geringer als im vergangenen Rekordsommer sein, da der Mai kühl war und es oben sogar schneite. Doch die langfristigen Prognosen für den Sommerverlauf überraschen kaum: Alle drei Sommermonate sollen wärmer als im langjährigen Mittel ausfallen.