Eine schwierige Zeit liegt hinter Ernst Hutter. Als im Herbst das Corona-Virus fröhliche Urständ zu feiern drohte und parallel dazu die Energiepreise nach oben schossen, hielten sich prompt die Menschen mit dem Kauf von Konzertkarten für das Winterhalbjahr zurück. Auch die Auftritte seiner „Egerländer Musikanten“ waren nicht mehr so gefragt. Und plötzlich stellte sich dem Chef des berühmten Blasorchesters und seinen Veranstaltern vor Ort die Frage: Welches Konzert spielen wir, und welches sagen wir besser ab? Auch der Auftritt in Kempten am kommenden Freitag stand zeitweilig zur Disposition.
Inzwischen ist Ernst Hutter wieder entspannt. Das Konzert in der Big Box Allgäu wird ebenso stattfinden wie die meisten anderen. Aber im Herbst sei die Branche „in heller Aufregung“ gewesen. Weder waren das Verhalten von potenziellen Kartenkäufern kalkulierbar noch die Kosten für die Organisation von Tourneen und das Mieten von Hallen. Hutter wollte aber unbedingt wieder loslegen. „Viele haben uns seit Jahren nicht mehr live gehört.“ Außerdem wollte er den Egerländer-Fans das neue, erst im Oktober aufgenommene Album vorstellen. „Wir haben gekämpft wie die Löwen“, sagt der 64-jährige Tenorhornist, der in Neuravensburg (bei Wangen) lebt und das Orchester seit über 20 Jahren leitet. Anfang Dezember hat sich die Lage entspannt. Zwar sind sieben Egerländer-Konzerte in den nächsten Monaten abgesagt worden, aber die meisten, über 20, finden statt.
Rund 1500 Besucherinnen und Besucher werden beim Konzert der Egerländer in Kempten erwartet
„Es wird heller am Horizont“, sagt Georg Preisinger, der das Konzert übermorgen in der Big Box organisiert. Der Veranstalter aus Ronsberg (Ostallgäu) rechnet mit 1500 Besucherinnen und Besucher. „Die Leute kommen wieder.“ Seit ein paar Wochen habe die Nachfrage nach Konzertkarten spürbar angezogen. Weil die Corona-Welle ausgeblieben und die Pandemie für beendet erklärt worden sei. Zudem sinken die Energiepreise. Das beruhige die Menschen. Das hat Ernst Hutter bei den ersten drei Konzerten kurz nach Weihnachten in Nürnberg, Ingolstadt und Aalen auch registriert. Wenn er sie beschreibt, verwendet er das Wort „sensationell“. Der bleierne Schleier vom Herbst sei wie weggeblasen, das neue Egerländer-Programm sehr gut angekommen.
Eine neue CD haben die Egerländer Musikanten ebenfalls aufgenommen. Wie klingt sie?
Die neue CD, die das 23-köpfige Orchester im Tournee-Gepäck hat, trägt den Titel „Reicht euch die Hand“ (siehe nebenstehenden Artikel). Ein versöhnlicher Satz, der sowohl zu den Verwerfungen der Pandemie passe wie auf den Krieg in der Ukraine. Hutter hat ihn aus dem Erbe des legendären Ernst Mosch gezogen, der die Egerländer Musikanten vor 66 Jahren gegründet hat. Mosch betitelte damit einen 1963 komponierten Walzer. „Zank und Streit weit und breit, so sieht es aus auf der Welt“, betextete Gerald Weinkopf damals Moschs Noten, 18 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und inmitten des Kalten Krieges. Und weiter: „Das ist traurig zwar, aber wahr, und wird schlimmer von Jahr zu Jahr.“
Am Ende heißt es: „Nichts ist so schön, wie sich zu versteh’n. Drum reicht Euch die Hand!“ Für Ernst Hutter eine höchst aktuelle Mahnung. Und Anlass für die Hoffnung: Gemeinsam sei man stärker.
Der Walzer „Reicht euch die Hand“, ist einer von mehreren Klassikern auf dem neuen Album. Es gibt aber auch sechs neue Stücke aus den Reihen der aktuellen Egerländer-Besetzung. Junge Musiker betätigen sich als Komponisten, was den Chef freut. Schließlich strebt Hutter eine ständige Verjüngung des rund 35 Bläser umfassenden Egerländer-Pools an.
Und so klingt die neue CD:
Warum ändern, was fein klingt und gut ankommt? Insofern darf man auch beim neuen Album „Reicht euch die Hand“ der Egerländer Musikanten nichts Revolutionäres erwarten. Die 14 Märsche, Polkas und Walzer stehen ganz in der Tradition dieser fast 66 Jahre alten Blaskapelle. Man kann sich zurücklehnen beim Hören und genießen. Nicht nur den nach wie vor einzigartig-gediegenen Klang. Die Arrangements sind durchdacht und ausgefeilt bis zum letzten Ton. Ja, da sind Profis am Werk, bei vielen Stücken legt der Chef Ernst Hutter selbst Hand an.
Wer Neues entdecken möchte, wird durchaus fündig. Etwa bei den beiden Walzern „Bänklein am Waldrand“ von Egerländer-Tubist Peter Laib und „Alles steht still“ des jungen Südtirolers Alexander Egger; da herrschen etwas andere Töne. Oder bei der Solisten-Ballade „Trompetensterne“, wo Ernst Hutter als Komponist seine Bigband-Erfahrungen einfließen lässt und die Böhmen-Tradition in die Jazz-Moderne weitet. Das Album, das es erst mal als CD, Stick oder Download und erst später als Stream gibt, ist ab 15 Euro erhältlich auf huttermusic.com.