Von der Toilette direkt in den Fluss: Kann das mit Schmutzwasser passieren? Laut Wetterfachmann Jörg Kachelmann, vielen aus dem Fernsehen bekannt, schon. Und zwar bei sehr starkem Regen. Auslöser für seine Aussage war die erhöhte Konzentration von Fäkalkeimen, die die Seine in Paris belastet hat. So mussten während der
. Das passiere auch in Deutschland, sagte Kachelmann in einem Interview mit Radio Regenbogen aus Mannheim. Er fasste es so zusammen: „Bei starkem Regen wird ungefiltert in den Rhein gesch...“. Passiert das auch mit Allgäuer Flüssen?Von der Toilette direkt in den Fluss: Passiert das auch im Allgäu?
Das haben wir Abwasserverbände aus der Region und das Wasserwirtschaftsamt Kempten (WWA) gefragt. Das Ergebnis: Wenn es sehr stark regnet, kann es passieren, dass ein Teil des Schmutzwassers in die Flüsse fließt, ohne dass es zuvor in der Kläranlage den üblichen Reinigungsprozess durchläuft. „Grundsätzlich hat Herr Kachelmann daher recht, dass bei extremen Starkregenereignissen in gewissem Umfang auch nicht ausreichend geklärtes Abwasser (...) direkt in die Flüsse gelangen kann“, heißt es beim WWA. Aber: Völlig ungereinigt sei es dabei niemals.
Wenn es stark regnet, schafft die Kläranlage die Wassermasse nicht
Dietmar Hörberg, Leiter des Amts für technischen Umweltschutz der Stadt Memmingen, erklärt, was bei starkem Regen mit dem Abwasser passiert. Hörberg spricht für das Klärwerk in Heimertingen (Unterallgäu), das nördlich von Memmingen liegt. Es ist für das Schmutzwasser von 80.000 Menschen und etlicher Unternehmen zuständig. In diesem großen Kanalnetz, in das sowohl Schmutz- als auch Regenwasser laufen, gebe es mehrere Rückhaltebecken. Wenn es stark regnet, fließe das meiste Wasser nicht direkt zur Kläranlage in Heimertingen, sondern zunächst in diese Becken.
Hört es auf zu regnen, fließe es nach und nach ins Klärwerk und werde wie üblich gereinigt. Hört es nicht auf zu regnen, seien Kanäle und Rückhaltebecken irgendwann voll. Da die Kläranlage diese Masse nicht schnell genug reinigen kann, gebe es keine andere Wahl, als überlaufendes Wasser in den nächsten Fluss abzugeben. Ausschlag nach dem Baden: Ist es wieder sicher, in Unterallgäuer Seen zu schwimmen?
Komplett ungereinigt gelangt das Abwasser nicht in den Fluss
Allerdings wird es vorher zumindest mechanisch gereinigt, sagt Dietmar Hörberg. Zum Beispiel fangen Gitter oder Siebe einen Teil der Feststoffe ab. Etwa Toilettenpapier und menschliche Ausscheidungen. Zudem gibt es im Kanalnetz Regenüberlaufbecken: Das durch Niederschlag stark verdünnte Abwasser läuft dort hinein, Feststoffe sinken auf den Boden. Am anderen Ende des Beckens läuft das Wasser in den Fluss. So könne laut WWA ein Großteil der Feststoffe zurückgehalten werden - und die Belastung werde „auf ein der Gewässergröße entsprechendes verträgliches Maß“ reduziert.
Nicht nur in Heimertingen, sondern im gesamten Kanalnetz innerhalb des WWA-Bereichs werde das Wasser bei extremem Starkregen auf diese Weise gereinigt, sagt Martin Adler vom WWA. Dieses System „entspricht dem Stand der Technik und ist im Detail gesetzlich geregelt“, sagt Siegfried Zengerle, Geschäftsleiter Abwasserverband Obere Iller. Und auch die gesetzlich geforderte Größe der Rückhaltebecken werde eingehalten, sagt Franz Beer, Geschäftsleiter Abwasserverband Kempten (AVKE). Für jeden Hektar versiegelter Fläche im Einzugsgebiet einer Kläranlage muss es ein bestimmtes Rückhaltevolumen geben. Gesundheitsamt empfiehlt: Bei sichtbaren Trübungen im See auf das Baden verzichten
Wetter-Experte Jörg Kachelmann fordert größere Kläranlagen
Wetterfachmann Jörg Kachelmann hat im Interview gefordert: „Man müsste die Kläranlagen viel größer dimensionieren, um solche Wassermengen zu bewältigen.“ Auch, weil Wetterextreme zunehmen. Aus Sicht unserer Gesprächspartner ist das nicht nötig. Eben weil das System den „gültigen rechtlichen und fachlichen Vorgaben“ entspreche und das verdünnte Abwasser den Flüssen nicht schade. Statt Kläranlagen zu vergrößern, müsse so gut es geht verhindert werden, dass überhaupt so viel Niederschlagswasser in den Kanal gelangt, sagt Dietmar Hörberg. Früher sind die Kanäle als Mischsystem gebaut worden: Schmutzwasser aus den Haushalten und Regenwasser laufen in dieselben Kanäle. Noch heute sind große Teile davon in Betrieb. Wenn heute Kanäle neu angelegt werden, würden nur noch Trennsysteme errichtet. Dann läuft der Regen in ein eigenes Kanalnetz.
Flüsse im Allgäu sind offiziell nicht zum Baden freigegeben
Wie sieht es also mit der Wasserqualität der Flüsse im Allgäu aus? Unabhängig von starken Unwettern hätten die meisten Flüsse generell nie Badegewässerqualität, sagt Martin Adler vom WWA. Denn selbst wenn Schmutzwasser die Kläranlage durchlaufe, könnten Fäkalkeime übrig bleiben, die dann in den Fluss gelangten. Das sei bei den meisten Anlagen in Bayern so. „Offiziell sind Flüsse und Fließgewässer daher auch nicht für den Badebetrieb freigegeben“.